Mit dem Elektroauto übers Land stromern

Wittlich/Morbach · Das Erdöl geht langsam aber sicher zur Neige - PKW-Hersteller bringen laufend verbesserte Elektroautos auf den Markt: Im Vergleich zur Stadtbevölkerung sind Landbewohner jedoch zögerlicher, auf die alternative Antriebstechnologie mit geringerer Reichweite umzusteigen. TV-Mitarbeiter Christian Moeris macht den Test auf dem Land. Innerhalb von zwei Tagen ist er mit einem Elektroauto 250 Kilometer zwischen Eifel, Mosel und Hunsrück unterwegs.

Wittlich/Morbach. Nur was für in der Stadt, zu langsam, zu wenig Reichweite, zu teuer: Die Liste der Vorurteile, die viele Landbewohner gegenüber Elektroautos hegen, ist lang. Und das obwohl sich die alternative Antriebstechnik ständig weiterentwickelt und jedes Jahr mehrere neue E-Autos in die Serienproduktion gehen. Die TV-Redaktion hat sich für zwei Tage einen Kleinwagen ausgeliehen, der mit Strom angetrieben wird. Er hat 250 Kilometer zwischen Mosel, Eifel und Hunsrück zurückgelegt, um die Tauglichkeit der Antriebstechnologie auf dem Land zu testen:Fahrgefühl: Gas geben, in den Sitz gepresst werden, abnorme Beschleunigung im unteren Geschwindigkeitsbereich: Die Rede ist nicht von einem Sportwagen sondern einem Elektro-Kleinwagen. Der kleine Stromer fährt sich wie ein Rennwagen. Allein die Geräuschkulisse fällt anders aus. Im dichten Stadtverkehr hört der Fahrer nur das Brummen und Knattern der anderen Verkehrsteilnehmer um sich herum. Doch auf der einsamen Landstraße lässt sich auch der Klang des Elektromotors wahrnehmen. Der ähnelt dem Sound einer anfahrenden U-Bahn oder dem Heulen von Flugzeugturbinen - ist jedoch so leise, wie ein Blatt, das zu Boden fällt. Fußgängern verrät nur das Geräusch der Reifen, dass sich ein Fahrzeug nähert. Strom tanken: Zu Hause Strom tanken ist günstig. Unter drei Euro kostet ein Ladezyklus beim Kleinwagen Renault Zoe. Damit lassen sich bis zu 140 Kilometer fahren. Doch das Ladekabel passt nicht in eine gewöhnliche Steckdose, sondern man benötigt einen Starkstromanschluss, mit dem sich der Wagen über sechs bis neun Stunden laden lässt. Über eine Spezialsteckdose geht das sogar innerhalb von ein bis zwei Stunden. Unterwegs zeigt das Navigationsgerät öffentliche Ladesäulen an. Mittlerweile sind sie in allen Städten der Region wie in Bitburg, Daun, Wittlich, Bernkastel-Kues oder in größeren Gemeinden wie Morbach zu finden. Doch der Betreiber der meisten Ladesäulen, der Energiekonzern RWE, lässt sich den Strom dort etwas kosten. Ein dreistündiger Ladezyklus, der den leeren Akku des Wagens wieder füllt, kostet 11,84 Euro. Das ist etwa genauso teuer wie die Menge Diesel, die ein vergleichbares Fahrzeug bei derzeitigen Preisen für 140 Kilometer braucht. Die Ladesäule muss per SMS freigeschaltet werden. Die Kosten werden über den Mobilfunk anbieter abgerechnet.Auf der Autobahn: Eine Strecke von 39,1 Kilometern zwischen Wittlich und Bitburg - davon 22 Kilometer über die A 60. Das Display des vollgeladenen Autos zeigt am Ausgangsort Wittlich 139 Kilometer Reichweite an. Im energiesparenden Eco-Modus rollt der Wagen in ungewohnter Stille über die L141 in Richtung der Autobahnauffahrt. Vergleichbar mit dem Anzug eines 75-PS-Benziners beschleunigt der Stromer auf der Autobahn von 80 auf 120 Kilometer pro Stunde. Die Energieverbrauchsanzeige schnellt hoch bis zum Anschlag. Die Zahl der noch verbleibenden Kilometer im Display rast schneller nach unten, als die tatsächlich gefahrenen Kilometer es hergeben. Trotzdem: Ein Test der Spitzengeschwindigkeit steht noch aus. Bei Vollgas auf ebener Strecke bleibt die Geschwindigkeitsanzeige nach wenigen Sekunden bei 142 km/h stehen. Mehr geht nicht. Am Fahrtziel, der RWE-Ladestation an der Römermauer in Bitburg, angekommen, irritiert ein Blick auf den Boardcomputer. Obwohl die Fahrstrecke nur 39,1 Kilometer lang war, hat der Boardcomputer 69 Kilometer von der anfänglichen Reichweite (139 Kilometer) abgezogen. Als verbleibende Reichweite zeigt das Display nur noch 70 Kilometer an. Es fehlen 30 Kilometer Reichweite. Wo sind sie hin? Da es sich nicht um einen Rechenfehler handelt, kommt nur die schnelle Autobahnfahrt in Betracht, um den erhöhten Verbrauch zu erklären. Bevor es weiter über Daun und Manderscheid zurück nach Wittlich geht, muss der Wagen deshalb noch eine Stunde an der Ladestation Strom tanken. Landstraße: Nach einer Stunde am Ladekabel ist die verfügbare Akkuleistung von 60 Prozent auf 80 Prozent gestiegen. Auf Bitburgs Innenstadtring und später auf der B 257 über Badem nach Daun lohnt sich die Eco-Taste. Dabei wird das Fahrzeug in einen Sparmodus versetzt und beschleunigt nur mäßig, selbst wenn der Fahrer das Gaspedal durchtritt. Wenn man langsam fährt, sinkt die verbleibende Reichweite dabei nur sehr gemächlich - auf ebenen Straßen unterproportional zur gefahrenen Strecke. In den Niederlanden könnte man mit dem Wagen also weiter fahren, als das Display anzeigt. Im Mittelgebirge der Eifel ist das Gegenteil der Fall. Trotzdem hilft der Eco-Modus dem Fahrer bei Geschwindigkeiten bis 100 km/h, die Akkuleistung zu verlängern. Energie sammeln: Eine völlig neue Erfahrung für den E-Auto-Laien ist die Energierückgewinnung. Sobald man auf die Bremse tritt, gewinnt das System Energie zurück - kaum anders als ein Fahrraddynamo. Dabei schlägt die Verbrauchsanzeige in den negativen Bereich um.Das Gleiche geschieht schon, sobald man den Fuß vom Gas nimmt. Die Geschwindigkeit wird sodann um einen Hauch mehr gedrosselt, wie man es von einem Benziner kennt, aber Strom wandert zurück in den Akku. Geht es bergab, kann der Fahrer sogar Gas geben und trotzdem Energie sammeln. Die Bergfahrt von Manderscheid zur Niederburg hinab ist daher energetisch betrachtet ein lohnendes Erlebnis. Unten angekommen hat sich die Reichweite des Wagens um drei Kilometer erhöht - zur Zufriedenheit des Fahrers. Dieses Prinzip der Energierückgewinnung lässt Autos mit Verbrennungsmotoren alt aussehen. Bergfahrt: Zwischen Bernkastel-Kues und Morbach klettert die E42 von der Mosel den Hunsrück hoch. Die steilen Serpentinen lassen den Akku des Elektroautos bluten. Denn die angezeigte Reichweite sinkt überproportional zur gefahrenen Wegstrecke. Wer also relativ viel Steigung zu bewältigen hat, kann sich auf die zu Fahrtbeginn ausgewiesene Reichweite nicht verlassen. Steht also zum Beispiel eine Fahrt von der Mosel in die Vulkaneifel wie von Traben-Trarbach nach Daun (60 Kilometer) an, sollte man besser zuvor noch etwas Strom tanken. Das Elektroauto wurde dem Trierischen Volksfreund vom Raiffeisen-Autohaus Wittlich zur Verfügung gestellt.Meinung

Für die breite Masse ausreichendWer jeden Tag eine festkalkulierte Strecke zur Arbeit fährt, ist mit einem Elektroauto bestens bedient. Die großen Distanzen, die Landbewohner im Gegensatz zu Städtern zurücklegen müssen, sind kein Grund, auf einen Elektrowagen zu verzichten. Wer seine Fahrt- und Ladezeiten plant, bleibt sicher nicht liegen. Für den Urlaub und weite Strecken muss dann jedoch ein Leihwagen her. Diese stellen viele Händler dem Kunden beim Kauf eines E-Autos für einige Wochen im Jahr kostenlos zur Verfügung. Doch allem voran schont das Elektroauto die Umwelt - sofern der Ausbau der erneuerbaren Energien weiter voranschreitet. Im Jahr 2013 lag ihr Anteil beim Energieverbrauch in Deutschland bei 12,3 Prozent. Aber damit sich das Elektroauto auch für den Besitzer lohnt, muss er es trotz Steuererleichterung sehr lange fahren. Denn die Anschaffungspreise für die Stromer liegen noch weit über den Listenpreisen der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Dennoch geht die Rechnung in vielen Fällen auf. Informieren lohnt sich. mosel@volksfreund.de

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