Neuerburger Abwasserkonzept auf dem Prüfstand

Wohin mit dem Schmutzwasser? In der Verbandsgemeinde Neuerburg müssten noch zehn Millionen Euro investiert werden, um alle Haushalte an die Kanalisation anzuschließen. Der Umweltcampus Birkenfeld untersucht, ob es Alternativen gibt.

 Am anderen Ende der Leitung: Abwasser landet längst nicht immer in der Kläranlage, nachdem es in den Ausguss geflossen ist. In Neuerburg sollen alternative Beseitigungskonzepte geprüft werden. TV-Foto: Jens Klein

Am anderen Ende der Leitung: Abwasser landet längst nicht immer in der Kläranlage, nachdem es in den Ausguss geflossen ist. In Neuerburg sollen alternative Beseitigungskonzepte geprüft werden. TV-Foto: Jens Klein

Neuerburg/Birkenfeld. Es geht um das, was hinten herauskommt. Und zwar im doppelten Sinn: In der Verbandsgemeinde (VG) Neuerburg landen längst nicht alle Abwässer in zentralen Kläranlagen. Derzeit liegt der Anschlussgrad bei etwa 87 Prozent. Um in den 17 Gemeinden und etwa 140 Einzelanwesen ohne Anschluss an die Kanalisation für eine zentrale Abwasserbeseitigung zu sorgen, müssten nach Angaben der VG-Verwaltung voraussichtlich mehr als zehn Millionen Euro investiert werden.

In Berscheid (67 Einwohner) und Herbstmühle (31 Einwohner) wird dieses Jahr gebaut. Aber was passiert mit den übrigen 15 Gemeinden? Müssen es wirklich immer zentrale Kläranlagen sein? Was in der Vergangenheit üblicherweise bejaht wurde, ist inzwischen umstritten. Denn auch mit dezentralen Lösungen lässt sich inzwischen ein hoher Reinigungsgrad erzielen, so dass eine fehlende Kanalisation nicht zwangsläufig mit einer erhöhten Umweltbelastung durch schlechter gereinigtes Wasser einhergeht.

Deshalb wird das am Umweltcampus Birkenfeld angesiedelte Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (Ifas) nun untersuchen, ob und wo es in der VG Neuerburg Alternativen zum Bau zentraler Kläranlagen gibt.

Zunächst wollen die Wissenschaftler die Gegebenheiten in Waldhof-Falkenstein (35 Einwohner) und Fischbach-Oberraden (79 Einwohner) unter die Lupe nehmen. Die Verwaltung rechnet Anfang Mai mit den Ergebnissen. Nach den Sommerferien soll das Gesamtergebnis vorliegen. Nach Auskunft von Werkleiter Hermann Hermes wird die Studie verbindliche Aussagen treffen. "Nachher steht fest, ob dezentral oder zentral gebaut wird", sagt er.

Ins Rollen gebracht wurde die Studie vor allem durch einen Antrag der Unabhängigen Bürgervertretung (UBV). Darin hatte sie im Februar 2010 angeregt, zusammen mit dem rheinland-pfälzischen Umweltministerium eine einfache Lösung zu erarbeiten, die auch finanziell tragbar ist. Am Ende eines Gesprächs in Mainz stand die Idee zur Studie für ein neues Abwasserkonzept.

Auch in der Vergangenheit wurden laut Werkleiter Hermes jeweils zentrale und dezentrale Möglichkeiten zur Abwasserbeseitigung miteinander verglichen. "Da waren zentrale Lösungen immer günstiger. "Die Ifas-Studie wird allerdings deutlich umfangreicher als alle bisherigen Untersuchungen sein."

Neben den konventionellen Methoden prüfen die Experten aus Birkenfeld nämlich auch, ob eine Reihe alternativer Konzepte und Verfahren möglicherweise in der VG Neuerburg zum Einsatz kommen könnte. Das Gutachten kostet rund 80 000 Euro, von denen 90 Prozent durch eine Landesförderung abgedeckt werden. Den Rest bezahlt die VG Neuerburg.

Die Verwaltung betritt mit der Studie auch insofern Neuland, als nun der Umweltcampus Birkenfeld anstelle eines Ingenieurbüros aktiv wird. "Wir wollten erst mal jemanden haben, der einen etwas anderen Blick auf die Sache hat", erklärt VG-Bürgermeister Norbert Schneider.

Die Ingenieurbüros kämen später dazu, wenn es um die technische Umsetzung gehe. Zentral oder dezentral? In einigen Monaten wird für jede bislang unversorgte Ortsgemeinde in der VG eine individuelle Antwort vorliegen.

Meinung

Das kann doch nicht sein!

Wenn eine klamme Kommune wie die Verbandsgemeinde (VG) Neuerburg zehn Millionen Euro in die Reinigung des Abwassers von ein paar Hundert Einwohnern investieren soll, steht der Aufwand in keiner Relation mehr zum Ergebnis. Da gehört eine Alternative auf den Tisch, so sauber die Sache mit dem Abwasser sonst auch sein mag. Gut, dass die Neuerburger nach einem Ausweg suchen. Das könnte beispielhaft auch für andere Kommunen sein, die seit Jahren Millionen im Boden verbuddeln, um der europäischen Wasserrichtlinie zu genügen, die vorschreibt, dass bis 2012 alle Gemeinden an biologisch-mechanische Kläran-lagen angeschlossen sein müssen. Das Neuerburger Beispiel zeigt zudem: Je größer die VG und das Kanalnetz, desto höher der Abwasserpreis, um den Kostenaufwand zu decken. Auch das wäre ein Fall für eine Kommunal- und Verwaltungsreform, die den Namen Reform verdient. d.schommer@volksfreund.de

Extra

In der VG Neuerburg wurden seit 1984 insgesamt 51,5 Millionen Euro investiert, um Kläranlagen zu bauen und Ortsgemeinden oder Einzelanwesen an die Kanalisation anzuschließen. Davon waren zehn Millionen Landeszuschüsse und 26 Millionen wurden mit zinslosen Darlehen des Landes finanziert. Die Abwassergebühren stiegen in der VG von 2,45 Euro pro Kubikmeter im Jahr 2001 auf 3,86 Euro im vergangenen Jahr. Wenn alle Maßnahmen des derzeitigen Abwasserbeseitigungskonzepts umgesetzt würden, könnten die Gebühren auf bis zu 5,50 Euro steigen, schätzt Werksleiter Hermann Hermes. Sollten sich darüber hinaus zum Beispiel gesetzliche Bestimmungen ändern, wären noch höhere Preise denkbar. (jk)

Extra

Für die folgenden Gemeinden wird in der Ifas-Studie untersucht, ob es zum Anschluss an eine zentrale Kläranlage sinnvolle Alternativen gibt: Affler (28 Einwohner am 31.12.2009), Ammeldingen an der Our (11) ,Bauler (74), Burg (19), Fischbach-Oberraden (79), Heilbach (137), Keppeshausen (21), Leimbach (61), Muxerath (49), Nasingen (50), Niehl (69), Scheitenkorb (33), Scheuern (47), Waldhof-Falkenstein (35), Zweifelscheid (41). Außerdem sind etwa 140 Einzelanwesen bislang nicht an die Kanalisation angeschlossen. (jk)

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