Kriminalität Ungebetener Besuch im Bitburger Rotlicht-Milieu

Bitburg · Die Kriminalpolizei hat am Donnerstag drei Bordelle in Bitburg durchsucht. Die Beamten hinterließen dabei nach Zeugenaussagen ein Bild der Verwüstung. Nun fordert die Eigentümerin des Hauses, Simone Richter, Schadenersatz.

 Ein Bild der Verwüstung bietet das Innere der Sansibar nach der Durchsuchung am Donnerstag.

Ein Bild der Verwüstung bietet das Innere der Sansibar nach der Durchsuchung am Donnerstag.

Foto: TV/Christian Altmayer

Als es gegen 21.30 Uhr an der Tür klingelt, ahnt Thekenkraft Nicole nicht, wem sie da öffnet. Den Mann vor der Tür hält sie für einen Gast und bittet ihn herein in die Sansibar. Kaum drin ruft der Zivilfahnder: „Hier ist die Polizei!“ Nicole hält es für einen Scherz. Dann stürmen weitere Beamten herein. Sie tragen Sturmhauben und Uniformen. Es ist ein Sondereinsatzkommando. Schnell füllt sich der Parkplatz in der Mötscher Straße mit Autos und Polizisten. Es werden immer mehr. Über ein Dutzend Beamte stellen bald die Bar auf den Kopf, durchwühlen die Kleider der Mädchen, die hier auch schlafen, schauen in jeden Schrank, unter jedes Bett.

So schildert jedenfalls Nicole, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, was am Donnerstagabend passiert sein soll. Und auch die Vermieterin der Bar, Simone Richter, war bei der Razzia vor Ort. Obwohl sie mit dem Betrieb des Lokals nichts zu tun hat. Durch einen Anruf ihres Sohnes, der zufällig am Bordell vorbeigefahren sei, habe sie vom Großeinsatz der Kriminalpolizei Wittlich erfahren. Wie der TV am Samstag berichtete, waren die Sansibar, der Goldene Stern und die Red Rose Bar in Bitburg durchsucht worden.

 Sansibar Hausdurchsuchung Bordell Rotlicht Polizei

Sansibar Hausdurchsuchung Bordell Rotlicht Polizei

Foto: TV/Christian Altmayer

Dem TV sagt Richter: Es sei nicht die Razzia selbst, die sie ärgere, sondern das Vorgehen der Polizei: „Der Einsatz war unverhältnismäßig. Die haben uns behandelt, als ob wir Terroristen wären.“ Zum einen haben die Polizisten nach Angaben der Eigentümerin Privaträume durchsucht, die gar nicht zur Konzession gehörten. Und zum anderen hätten die Beamten in ihrer Immobilie hohen Schaden verursacht. In der Tür zu Privaträumen der Richters klafft ein Loch. Sie ist nicht die Einzige, die die Polizisten mit einem Rammbock aufgebrochen haben. Drinnen sieht es nicht besser aus: Zwei Tresore haben die Einsatzkräfte offenbar aus der Wand gerissen. Einen haben sie laut Richter mitgenommen, der andere liegt zerstört auf dem Boden. Eine Lampe lehnt zerbrochen an der Fensterbank wie eine Betrunkene.  Schranktüren sind ausgehebelt, lassen sich nicht mehr schließen. Der Boden ist übersät mit Dekorationsartikeln, Flaschen, Kleidung, die die Beamten nach Zeugenaussagen durchwühlt hatten.

 Sansibar Hausdurchsuchung Bordell Rotlicht Polizei

Sansibar Hausdurchsuchung Bordell Rotlicht Polizei

Foto: TV/Christian Altmayer

Genauso „brutal“ sei das Einsatzkommando im „Goldenen Stern“ vorgegangen. Die Bar liegt nur wenige Häuser entfernt und gehört ebenfalls den Richters.

 Sansibar Hausdurchsuchung Bordell Rotlicht Polizei

Sansibar Hausdurchsuchung Bordell Rotlicht Polizei

Foto: TV/Christian Altmayer

Die Höhe des Schaden könne die Familie noch nicht einschätzen. Klar ist aber: Eigentümerin Simone Richter will keinesfalls auf dem Geld sitzen bleiben. Während sie durch das verwüstete Haus führt, telefoniert ihr Mann Stefan auf dem Parkplatz mit dem Anwalt. „Darf die Polizei alles?“, fragt er den Mann am anderen Ende der Leitung.

Darf sie nicht. Das deutsche Gesetz kennt genaue Regeln für Hausdurchsuchungen. So gilt bei Amtshandlungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das heißt: Polizisten dürfen nur zerstören oder demolieren, was zerstört werden muss. Auch Türen können grundsätzlich aufgebrochen werden, wenn niemand öffnet. Bei der Razzia am Donnerstag hätten die Beamten aber gar nicht erst gewartet bis ihnen jemand aufmacht, sagt Thekenkraft Nicole. Sie habe ja einen Schlüssel. Doch nach dem hätten die Beamten sich nicht erkundigt, sondern gleich den Rammbock in die Tür krachen lassen. „Erst kaputt machen, dann fragen“, so sei die Vorgehensweise gewesen, sagt Stefan Richter. Der TV hat die Kripo Wittlich mit den Vorwürfen konfrontiert. Ihre Antwort: „Bei einigen verschlossenen Objekten konnten weder die Bewohner noch Verfügungsberechtigte angetroffen oder im Rahmen des Einsatzes ermittelt werden.“  Daher hätten sie „unverzüglich gewaltsam geöffnet werden müssen, um einen drohenden Beweismittelverlust zu verhindern“.

Das sieht Simone Richter anders. Sie strebt deshalb eine Klage an, um von der Polizei Entschädigung zu bekommen. Darauf hat sie, sollte der Einsatz tatsächlich „unverhältnismäßig“ gewesen sein, laut Gesetz ein Anrecht, sobald der Schaden höher ist als 25 Euro.  „Wir haben die Räume wochenlang renoviert“, erzählt ihr Mann Stefan: „Und die machen die ganze Arbeit in einer einzigen Nacht zunichte.“

Eine solche Razzia hätten die Richters in ihrer gesamten Karriere nicht erlebt, sagen sie. Und die sind schon lange im Geschäft. 22 Jahre betrieben sie die „Sansibar“, bis sie sich aus dem horizontalen Gewerbe zurückzogen. Heute ist Simone nur die Vermieterin der Bars. Mit dem, was drinnen vorgehe, sei die Eigentümerin nicht mehr befasst.

Deshalb mache es sie auch so wütend, dass ihre Privatzimmer durchsucht worden seien. Die Richters halten nämlich einige Lagerräume neben dem Bordell vor. Diese gehören nicht zur Konzession. Die Pächterin habe nicht mal einen Schlüssel. Deshalb schlussfolgert Richter: „Die Polizei hatte dort nichts zu suchen.“

Auf Nachfrage des TV macht die Kripo dazu keine genauen Angaben. Sie bestätigt zwar, dass „Privaträume“ durchsucht wurden, nicht aber, wem diese gehörten. Doch was hatten sie überhaupt gesucht?

Das hätten die Beamten den Richters nicht erzählt, sagt die Eigentümerin: „Sie werden irgendeinen Verdacht gehabt haben.“ Auffällig: Die Pächterin der Sansibar leitet auch den Goldenen Stern und die Red Rose Bar, die den Richters allerdings nicht gehört. Und genau diese drei Etablissements wurden durchsucht. Ob die Polizei etwas gegen sie in der Hand hat? Die Kripo hatte für die Razzia jedenfalls einen „richterlichen Durchsuchungsbeschluss“, wie die Pressestelle auf Nachfrage des TV angibt.

Was der Grund für den Einsatz war, muss also vorerst Spekulation bleiben. Die Kripo Wittlich wollte auf Nachfrage keine weiteren Informationen zu den Ermittlungen herausrücken. Es handle sich um „ein laufendes Verfahren“. Ob im Bordell etwas Belastendes gefunden wurde, ist nicht bekannt. Rechtlich gesehen ist die Pächterin unschuldig, bis ein Gericht ihr eine Straftat nachgewiesen hat. Gegen Vermieterin Simone Richter erhebt die Staatsanwaltschaft keine Vorwürfe. Ein Gericht wird wohl bald klären müssen, ob der Einsatz unverhältnismäßig war und ihr eine Entschädigung zusteht.

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