Wenn sich der Wind dreht

Gilzem/Kaschenbach · Windkraft ist gut für die Umwelt und besonders für klamme Gemeindekassen. Auch Gilzems Ortsbürgermeisterin Martina Thies würde die Kasse gerne klingeln hören. Doch die Überarbeitung des Flächennutzungsplans in der VG Südeifel droht der Ortsgemeinde, die neidisch auf den Nachbarort Kaschenbach schielt, einen Strich durch ihre Windkraftrechnung zu machen.

Gilzem/Kaschenbach. Martina Thies, Ortsbürgermeisterin von Gilzem, bekommt schlechte Laune, wenn sie vom alten Friedhof ihrer Gemeinde in Richtung Kaschenbach blickt. Den Ortskern der Nachbargemeinde kann sie zwar nicht sehen, da er verborgen hinter einem Hügel liegt. Dafür blickt sie auf Wiesen und Wälder des Nachbarortes, auf denen sich künftig Windräder drehen könnten. Kaschenbacher Windräder, um es genau zu sagen. Aber wenn dort - wie geplant - in naher Zukunft drei Windräder aufgebaut werden, fände das in Gilzem eigentlich gar niemand so tragisch, wenn nicht die Ortsgemeinde selbst ihre ausgewiesenen Flächen für Windkraft verlieren würde. Denn so sieht es der aktuelle Planungsstand zur Fortschreibung des Flächennutzungsplans im Teilbereich Windenergie in der Verbandsgemeinde Südeifel vor.
Thies: "Unser Wald, der bis zur Fusion immer Potentialfläche war, fliegt raus. Aber Kaschenbachs Flächen bleiben drin."
Es geht wie immer ums Geld. Denn Windräder sind auch für Gemeinden eine höchst lukrative Einnahmequelle. "Wir fühlen uns über den Tisch gezogen", sagt Thies. Die Gemeinde könne Einnahmen aus der Verpachtung von Flächen, etwa 100 000 Euro im Jahr, gut gebrauchen. In Anbetracht des Schuldenbergs von 320 000 Euro, auf dem die Gemeinde derzeit sitzt, ist die Klage der Ortsbürgermeisterin nachvollziehbar.
Planer befürchten Umzingelung


Doch warum droht Gilzem, wo sich auf privaten Grundstücken bereits drei Windräder drehen, seine Potentialflächen im gemeindeeigenen Wald zu verlieren? "Die Planer haben festgestellt, dass dort mit einer sogenannten Umzingelungswirkung zu rechnen wäre", sagt Moritz Petry, Bürgermeister der VG Südeifel. Denn rund um Gilzem ist die Landschaft bereits mit Windrädern übersät (siehe Grafik).
Die Planer vom Büro ISU in Bitburg schlagen deshalb für diese und auch andere Bereiche der Südeifel vor, die bislang ausgesuchten Flächen zu reduzieren. Die Bewertung basiert auf Sichtfeldanalysen, "wobei die VG uns die Auskunft darüber verweigert, an welchen Koordinaten diese durchgeführt wurde", sagt Projektplanerin Katja Vernazobres vom Unternehmen EEG Eifel Energiegesellschaft. Das Unternehmen würde gerne im Gilzemer Wald zwei weiße Riesen aufbauen und verfolgt dieses Unternehmen bereits seit 2011. 40 000 Euro habe die EEG bereits in die Planung investiert und auch schon einen Bauantrag bei der Kreisverwaltung gestellt, sagt Vernazobres.
Dann kam die Fusion der ehemaligen Verbandsgemeinden Neuerburg und Irrel und damit die Fortschreibung des Flächennutzungsplans (siehe Extra).
Pläne liegen auf Eis


Die Windkraftpläne der EEG in Gilzem liegen seitdem auf Eis. "Aber je nachdem an welchem Punkt im Ort man eine Sichtfeldanalyse (siehe Extra) durchführt, kommt man zu anderen Ergebnissen", sagt Vernazobres.
Bürgermeister Petry widerspricht vehement: "Mir erschließt sich nicht, wie die EEG zu einem anderen Ergebnis kommen will. Denn rund um Gilzem stehen bereits in allen Sichtachsen Windräder - zum großen Teil auch auf dem Gebiet der VG Bitburger-Land."
Er bestätigt jedoch, dass die VG keine Koordinaten zur Sichtfeldanalyse herausgegeben habe: "Wir würden ein Problem bekommen, wenn zahlreiche Projektentwickler so lange eigene Untersuchungen anstellen, bis es für sie passt."
Doch Ortsbürgermeisterin Thies versteht nicht so recht, warum die Kaschenbacher den Gilzemern weitere Windräder vor die Nase setzen dürfen.
"Für mich hat das einen faden Beigeschmack", sagt Thies, "denn eines dieser Kaschenbacher Windräder wird sich vermutlich auf Flächen der Johannes und Michael Billen GbR drehen." Johannes Billen, Ortsbürgermeister von Kaschenbach und Bruder des Landtagsabgeordneten Michael Billen (CDU), bestätigt den möglichen Standort: "Ja, eines könnte sich auf den Flächen der Billen GbR drehen. Aber wir haben im Ortsgemeinderat noch keine genauen Standorte festgelegt."
Die Brüder Billen betreiben gemeinsam ein Landwirtschaftsunternehmen mit Brennerei. Den Verdacht der Mauschelei weist der Ortsbürgermeister allerdings weit von sich: "Wir können gar nicht beeinflussen, wer Windräder wohin bauen darf.
Das entscheidet sich anhand objektiver Kriterien und durch die bereits vorhandenen Windräder."
Wo in der VG Südeifel weitere Windräder gebaut werden dürfen, will der Verbandsgemeinderat noch vor den Sommerferien entscheiden. Die zweite Offenlage des Flächennutzungsplans, bevor es zum Beschluss kommt, soll im Zeitraum Mai bis Juni erfolgen.
Meinung

Gilzem zahlt drauf
In der VG Südeifel, wie auch in vielen weiteren Gebieten der Eifel, herrscht derzeit Goldgräberstimmung. Wer Glück hat, auf dessen Gemarkung lässt bald ein Windrad die Kasse klingeln. Klar, dass da auch Neid und Missgunst im Spiel sind. Aber Gilzem - das muss man sagen - wird wirklich übel mitgespielt, wenn der Flächennutzungsplan so festgeschrieben wird, wie derzeit geplant. Denn die Nachbarorte Eise-nach, Idesheim, Meckel und Welschbillig sowie drei private Investoren in Gilzem selbst haben den Ort bereits mit Windrädern umzingelt. Nord-westlich wollen die Kaschenbacher die Gemeinde noch mit weiteren Rädern einkreisen. Die Nachbarorte profitieren also alle von der Energiewende - auf Kosten der Gemeinde Gilzem, die keine weißen Riesen mehr aufbauen darf, weil sie schon so umzingelt ist. Obwohl alles anhand objektiver Kriterien entschieden wird, kann man gut verstehen, dass das subjektive Rechtsempfinden der Ortsbürgermeisterin da etwas gestört wird. c.moeris@volksfreund.deExtra

Mit Hilfe dieser Analyse wird untersucht, welche Auswirkungen die Errichtung von Windkraftanlagen darauf haben, wie sich Menschen von Anlagen umzingelt fühlen.Wie funktioniert eine Sichtfeldanalyse und welche Kriterien entscheiden dabei, ob in einem Bereich weitere Windräder gebaut werden dürfen? Der Mensch hat ein Sichtfeld von etwa 180 Grad. Vom Punkt der Analyse dürfen in einem Radius von 180 Grad genau 120 Grad mit Windrädern ausgefüllt sein, darauf muss eine Fläche von mindestens 60 Grad folgen, in der keine Windräder zu sehen sind. Ansonsten sprechen die Planer von einer "Umzingelung". cmoExtra

Die Zwangshochzeit der ehemaligen Verbandsgemeinden Irrel und Neuerburg, die im Juli 2014 zur VG Südeifel fusionierten, ist rechtskräftig, urteilte der Verfassungsgerichtshof. Doch das frisch vermählte Paar brachte, wie es der Bereich Windenergie zeigt, ungleiche Voraussetzungen mit in die Fusion ein, die der Verbandsgemeinderat nun ausbügeln muss. So musste in der VG Irrel ein Abstand von Windrädern zu Ortslagen von 800 Metern eingehalten werden. In Neuerburg galt eine andere Regel: Abstand zu Wohngemeinden mit Erweiterungspotential 1200 Meter, zu allen übrigen Ortslagen 650 Meter. Seit Sommer 2015 beschäftigt sich der Rat deshalb mit dem Änderungsverfahren des Flächennutzungsplans. Ziel: Die Windkraftplanung der VG Südeifel zu vereinheitlichen. Darüber hinaus sollen auch 2300 Hektar zusätzliche Flächen für Windkraft ausgewiesen werden. Derzeit drehen sich bereits 37 Windräder in der VG Südeifel, 14 auf dem Gebiet der ehemaligen VG Irrel, 23 auf dem der alten VG Neuerburg. cmo

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