Junge Mütter bald alleine

Konz · Die Verträge sind gekündigt, die Anzeige zur Nachmietersuche für die Hebammenpraxis 9Plus stand im TV. Am 31. März ist Schluss. Dabei hatten hier zwischenzeitlich neun Hebammen einen vollen Terminkalender. Mit der Schließung wird es keine umfassende Anlaufstelle für werdende und frischgebackene Eltern zwischen Trier und Saarburg mehr geben.

Junge Mütter bald alleine
Foto: (h_ko )

Konz. Keine Säuglingspflege-, Still- und Trageberatung, keine vorgeburtlichen Hilfestellungen für Schwangere wie Akupunktur, keine Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse mehr in der Konzer Granastraße 15. Zwischen dem Trierer Mutterhaus und dem Saarburger Geburtshaus ist ab April weitgehend Ödland für Schwangere. Auch die externen Anbieterinnen, die die Räume der Hebammenpraxis 9Plus bisher nutzen, um etwa Yoga, Pilates oder Babyturnen anzubieten, müssen sich nun nach Alternativen umschauen. "Wir müssen zumachen trotz riesiger Nachfrage, weil wir uns die Praxis wegen drastisch gestiegener Versicherungsbeiträge einfach nicht mehr leisten können. Unser ganzer Berufsstand ist bedroht", sagen die Inhaberinnen der Hebammenpraxis 9Plus, Anja Lehnertz und Nina Schümmelfeder. Es sei ihnen um eine umfassende Betreuung und Begleitung der Familien gegangen. "Jetzt hören wir auf, wie wir 2009 angefangen haben, zu zweit und ohne uns über die Investitionskosten hinaus etwas erwirtschaftet zu haben", sagt Nina Schümmelfeder.
"Es ist eigentlich absurd", sagt Anja Lehnertz: "Wir waren von morgens bis abends in allen Kursen ausgebucht". Drei parallel laufende Kurse zur Geburtsvorbereitung und zur Nachsorge etwa habe es noch Anfang dieses Jahres bei 9Plus gegeben. Die Hebammengemeinschaft war auf neun Frauen angewachsen. Alle bis auf Lehnertz und Schümmelfeder haben in den vergangenen Monaten aber die Reißleine gezogen, sind aus der Praxis ausgestiegen. Wo nicht familiäre Umstände der Grund dafür waren, wollten die bisherigen Teilhaber in eine Klinik-Festanstellung wechseln, weil die Versicherung für freie Hebammen seit Jahren immer teurer geworden ist (siehe Extra). Weil immer wieder monatelange Unsicherheit herrscht, ob überhaupt weiter versichert wird. Auch die fünffache alleinerziehende Mutter Anja Lehnertz ist parallel Beleghebamme im Trie rer Mutterhaus, um sich abzusichern. Was vielen noch gar nicht klar sei: "Es geht bei der Misere nicht nur um Hausgeburten, von deren Aussterben öfter berichtet wird. Es geht um das ganze Prinzip der Hebammenpflege. Viele Hebammen streichen jetzt ganz die Segel", sagt Nina Schümmelfeder. Wenn Hebammen nicht im Vier-Schicht-System eines Krankenhauses einsetzbar seien, drohe ihnen gar das endgültige Aus. "Vielleicht muss ich auch schon bald irgendwo an der Kasse sitzen", sagt die alleinerziehende Mutter zweier kleiner Kinder. "Es wird eine große Zahl von Frauen geben, die keine Nachsorgehebamme finden, die schon in der zwölften Woche abgewiesen werden müssen. Das ist jetzt schon so", erklärt sie. Von den 35 Hebammen auf der aktuellsten kursierenden Liste für den Kreis Trier-Saarburg seien nur noch rund 15 wirklich voll aktiv, schätzt Anja Lehnertz, die Kreisvorsitzende des Hebammenberufsverbands ist. Eine offizielle Statistik gibt es nicht. Lehnertz und Schümmelfeder wollen zunächst frei und ohne Praxis weitermachen: "Wir Verbleibenden sind alle am Ober-Oberlimit, mehr geht einfach nicht." Auf Nachfrage bestätigt auch das Trie rer Mutterhaus die schwierige Lage der Nachsorgehebammen: "In früheren Jahren kam es durchaus vor, dass eine Hebamme aus dem Klinikum spontan eine Nachsorge angenommen hat. Heute ist dies nicht mehr möglich." Die Nachfrage nach Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskursen sei hingegen stetig gestiegen.

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