Thomas

Auf den dritten Platz wählte die Jury die Geschichte von Steffen Gallus. Auch er besucht die elfte Klasse des Gymnasiums Saarburg.

 Der AutorSteffen Gallus.TV-Fotos (3): Alexander Schumitz

Der AutorSteffen Gallus.TV-Fotos (3): Alexander Schumitz

Foto: Alexander Schumitz (itz) ("TV-Upload Schumitz"

Er schaute auf seine Armbanduhr. Der Zeiger bewegte sich gerade auf die Elf. Fünf vor acht. Wieder dachte er darüber nach, wie er es ihnen sagen sollte. Was würde sein Vater dazu sagen? Wie würden sie darauf reagieren? Nervös schaute er erneut auf seine Uhr. Vier Minuten vor acht. Einige Zeit war seit ihrem letzten Treffen vergangen. Genauer gesagt fast zweieinhalb Jahre. Engen Kontakt hatten sie seither nicht, aber das Verhältnis zu seinen Eltern war noch nie das beste gewesen, obwohl er ihr einziger Sohn war. Trotzdem wollte er sie heute in dieses neue Restaurant in seiner Stadt einladen, um es ihnen endlich zu sagen. Noch einmal ging er die Sätze in seinem Kopf durch. In diesem Moment öffnete sich die Tür, und seine Mutter und sein Vater traten ein. Paul stand auf und umarmte beide flüchtig. Dann das übliche Gerede, wie es geht und was er so mache. Sie nahmen am Tisch in der Ecke Platz. Nachdem sie ihre Getränke bestellt hatten, fragte die Mutter: "Du sagtest am Telefon, du hättest Neuigkeiten. Na, erzähl endlich, ich kann es kaum erwarten!" Paul begann zu schwitzen, seine Hände wurden feucht. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Er spürte, dass ihm heiß wurde. "Es ist so" , begann Paul, "ich habe da jemanden kennengelernt." "Hab ich‘s mir doch gedacht! Na endlich, mein Sohn wird erwachsen! Ich dachte schon, das wird nie was mit dir und den Frauen!", freute sich seine Mutter sichtlich. Auch sein Vater schien erleichtert. "Also als ich jung war, da liefen mir die Weiber förmlich hinterher", lachte er, "und ich dachte schon, mein Sohn kriegt nie eine ab! Endlich wird aus meinem Jungen ein richtiger Mann, hat ja lange genug gedauert. Hast du dich mal besser angestellt als sonst?!" Paul zwang sich ein Lächeln auf die Lippen. "Na, erzähl schon, wie sieht's mit dem Nachwuchs aus? Also ich finde ja, so ein Kleines würde dir schon gut stehen. Wenn's ein Junge wird, fände ich Tim ganz schön. Oder Felix. Aber wenn's ein Mädchen werden sollte, dann Marie oder Julia. Ich hoffe, dir ist bewusst, dass es die Aufgabe des Mannes ist, Geld zu verdienen und seine Familie zu versorgen. So ein Baby kostet Zeit und Nerven, ich denke, das wisst ihr, aber wir beide als werdende Großeltern betreuen unser lang ersehntes Enkelkind natürlich gerne, wann immer es geht, da musst du dir keine Sorgen machen. Was eure Hochzeit anbelangt, diesen Sommer ist eher schlecht. Dein Vater und ich machen eine Amerika-Rundreise, es bleiben also lediglich die letzten beiden Wochen im August als Termin. Und vergiss nicht: Den Antrag macht immer der Mann! Falls du noch keine Ringe hast, wir haben da einen guten Juwelier in unserer Stadt, bei dem haben wir auch schon unsere Ringe gekauft. Ach, und die Hochzeitstorte! Die muss wirklich gut sein, aber da wird deine Frau sicher ein Wörtchen mitzureden haben, das ist schließlich Frauensache. Aber jetzt erzähl doch mal, wie lange seid ihr schon zusammen?" Pauls Mund wurde ganz trocken. Am liebsten würde er aufstehen und einfach nur weglaufen. Egal wohin, Hauptsache weg von hier. Aber er kann nicht. "Wir kennen uns jetzt seit gut zwei Jahren, zusammen sind wir seit eineinhalb Jahren", brachten seine Lippen gerade noch so heraus. "Da waren wir schon verheiratet, und deine Mutter war schwanger mit dir", unterbrach ihn sein Vater, während er seine Mutter anschaute, "so langsam wird's Zeit Junge, du gehst auf die dreißig zu. Du willst doch nicht, dass deine Kinder mit einem Vater mit Krückstock großwerden", scherzte er wieder. "Und wie habt ihr euch kennengelernt? Es war hoffentlich so romantisch wie bei uns beiden. Der erste Kuss sollte immer vom Mann ausgehen, das erwarten Frauen, ich hoffe, das war dir klar." Sie war jetzt richtig neugierig. Für einen kurzen Moment war es still. Eine Antwort erwartend starrten seine Eltern ihn an. "Wir ... sind ... uns auf der Arbeit begegnet", stammelte er vor sich hin. Seine Mutter lächelte zufrieden: "Wir sind so stolz auf dich, mein Sohn. Dein Vater und ich haben uns schon solche Sorgen gemacht, du würdest ewig ohne Frau bleiben. Eins hast du uns aber noch ganz verschwiegen: Wie heißt sie denn überhaupt?" Paul wusste, der Moment war nun gekommen. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und sagte: "Er heißt Thomas."Extra

Auf dieser Seite sind die Beiträge der Gewinner des Kurzgeschichtenwettbewerbs der Saarburger Rotarier abgedruckt (Einen Artikel zum Wettbewerb finden Sie auf Seite 9). Die Geschichte "Das Fliedermädchen" von Elftklässlerin Inessa Werle vom Gymnasium Konz wurde mit einem Sonderpreis ausgezeichnet. Diese Geschichte wird demnächst ebenfalls auf dieser Seite veröffentlicht. red

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