"50 Prozent der Deutschen sind Faschisten"

Wittlich/Wien · Ein Künstler mit Weltruhm mischt sich in die Wittlicher Kulturpolitik ein - mit deftigen Worten: Verkappten Faschismus und Antisemitismus hält der Wiener Bildhauer und Zeichner Alfred Hrdlicka für den Grund der Streichung der Stelle des Kulturamtsleiters in der Säubrennerstadt.

 Alfred Hrdlicka. Foto: dpa

Alfred Hrdlicka. Foto: dpa

(har/lars) Mit harscher Kritik hat sich Alfred Hrdlicka, einer der bedeutendsten Bildhauer, Zeichner und Maler, in die Debatte um die Streichung der Stelle des Kulturamtsleiters der Stadt Wittlich eingeschaltet. Die Mehrheit im Wittlicher Stadtrat hatte die Stelle kürzlich im Rahmen der Haushaltsberatungen gestrichen.

In einem Brief an den Trierischen Volksfreund schreibt der 81 Jahre alte Künstler Hrdlicka, der in Wien lebt: Der Vorgang bestätige seine Auffassung, dass "50 Prozent der Deutschen und Österreicher immer noch Faschisten und Antisemiten sind". Falls "begeisterte, demokratische, qualifizierte Kulturschaffende" wegen - wie Hrdlicka es in Wittlich vermutet - "Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit und lebendiger Erinnerungsarbeit diskriminiert und entlassen" werden, sehe er "braun" für Wittlich und Deutschland.

Woher Hrdlicka seine Vermutung nimmt, ist offen. Der Antrag, den die FDP zur Abschaffung der Kulturamtsleiter-Stelle eingebracht hatte, nannte als Grund für die Streichung, dass alle wichtigen kulturellen Veranstaltungen in Wittlich ohne Mitwirkung des Kulturamtsleiters stattfänden. CDU und FDP stimmten zu, die Freien Wähler enthielten sich, SPD und Grüne verließen unter Protest die Sitzung.

Die Stelle des Kulturamtsleiters war Ende der 90er Jahre in Wittlich geschaffen worden. In den vergangenen Jahren hatte die Ausrichtung der Kulturarbeit immer wieder zu Kritik am Stelleninhaber Justinus Maria Calleen geführt. Dank der Kulturstätte "Alte Synagoge", in der eine Dauerausstellung über jüdisches Leben gezeigt wird, und weil Wittlich Sitz des von der Stiftung der Stadt unterstützten Emil-Frank-Instituts ist, galt die Erinnerungsarbeit bisher als vorbildlich. Erst in jüngster Zeit hatte es Streit um eine Initiative gegeben, die mit sogenannten Stolpersteinen in Wittlich an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus erinnern will und von Calleen wissenschaftlich begleitet wird. Zu den Kritikern zählen neben Politikern auch der Arbeitskreis jüdische Gemeinde Wittlich.

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