Deutschland - ein Bilderbuch?

Trier · Die "Wir sind Deutschland"- Kampagne im Jahr 2006 und den wieder erstarkten Patriotismus im Fußball nimmt ein studentisches Sozio-Theaterprojekt in Trier zum Anlass zu fragen: Was ist typisch deutsch? Was bedeutet dies für Nicht-Deutsche? Und: Welche Wirkung haben die modernen Mythen ums Deutschsein?

In Triers freier Theaterszene macht sich schon seit einem Jahr eine Gruppe junger Theater- und Performance-Künstler unter dem Logo "Karussell" einen Namen. Ihr letztes Projekt "Dreizehn Kurze" spielte fast immer vor ausverkauften Rängen.

Schwierigkeiten mit der Genehmigung



Jetzt knüpft das Regie-Team um Martin Grünheit, Wanja van Suntum und Juliane Hahn mit dem Sozio-Theaterprojekt "Deutschland - ein Bilderbuch" an diesen Erfolg an. Die drei haben sich viel vorgenommen, möchten sie doch gemeinsam mit Bewohnern der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in der Dasbachstraße in Trier (auch Asylbewerberheim) und Trierer Bürgerinnen und Bürgern der Frage, was deutsch sei auf den Grund gehen. Das ehrenamtliche Projekt musste einige Hürden bis zur Premiere überwinden: Schwierigkeiten mit Genehmigungen für die Nutzung der Skatehalle Trier, wo im Sommer bereits eine Flugameisen-Plage die Fassbinder-Premiere des Theaters Trier (der TV berichtete) behinderte. Für drei Asylsuchende, die am Projekt teilnehmen, steht außerdem der Transfer in eine andere rheinland-pfälzische Kommune an. Eine Sondergenehmigung musste besorgt werden, so dass Hauptdarsteller Vahid Abdizadeh und seine Kollegen bis zum Ende in Trier dabei sein können. So holt die Realität die Themen des Theaterstücks ein.

Dennoch ist die Stimmung entspannt und aufgeschlossen. Die Regie-Youngsters erklären: "Für uns bedeutet Nation Verhinderung und Ausgrenzung. Sie ist als historische Größe meistens unsichtbar. Wir wollen ihre Konstruktion sichtbar machen." Dazu spielen sie mit bekannten Klischees vom Deutschen und Ausländer. Gleichzeitig prangern sie die Seriosität und Selbstverständlichkeit an, mit der Vorurteile in der deutschen Integrationsdebatte verwendet werden. Auf der Suche nach Alternativen zu gängigen Medien-Bildern legen sich die Theater-Studierenden nicht auf Sprache als Medium fest. Auch Bewegung, Pantomime und Requisitenspiel sowie theaterpädagogische Tricks gehören zum Repertoire des Projekts. Was erwartet die Zuschauer? Die Inszenierung ist kein festgelegtes Theaterstück, sondern soll sich als szenische Collage entwickeln, in der die Erlebnisse von nicht "typisch Deutschen" und die Reaktion der Öffentlichkeit dargestellt werden. Die Theatermacher erhoffen sich spannende Momente, die auch das eigene Verhältnis zur Nation neu beleuchten sollen. Premiere ist am 24. September um 20 Uhr in der Skatehalle Trier, Aachenerstraße 65, weitere Termine: 25. September sowie 2. und 3. Oktober. Einlass ist um 19.30 Uhr; die Vorstellungen beginnen um 20 Uhr. Tickets in den TV-Service-Centern in Trier, Bitburg, Wittlich, unter der TV-Tickethotline 0651-7199-996 und online unter www.volksfreund.de/tickets

WIE DIE SCHAUSPIELER DAS STÜCK SEHEN

"Ich hatte vorher noch keine Schauspielerfahrung. Es ist spannend, wie im Theater gearbeitet wird, und dass ich andere Seiten von mir kennenlerne." Barbara Heinemann (24), Studentin in Trier "Im Iran war ich Schauspieler. Ich freue mich, hier mit sympathischen Deutschen zusammen Theater zu machen. Und nebenbei kann ich Deutsch lernen. Vahid Abdizadeh (37), Asylsuchender "Durch das Aufeinandertreffen der Leute mit ihren verschiedenen Biografien entstehen bestimmte Situationen, die ich ohne das Projekt nie erlebt hätte." Wanja van Suntum (24), Regie-Team

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