"Jauchzet, frohlocket"

Luxemburg · Thomas Hengelbrock und sein Balthasar-Neumann-Ensemble und -Chor haben mit ihrer filigra nen Interpretation von Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium das Publikum in der Luxemburger Philharmonie in einen Zustand tiefer Spiritualität versetzt.

 Der Tenor Tilman Lichdi.

Der Tenor Tilman Lichdi.

Foto: Philharmonie Luxemburg

Luxemburg. "Jauchzet, frohlocket": Schon bei den ersten Tönen strahlen die Gesichter des Publikums am Mittwochabend in der Luxemburger Philharmonie. Wohlbekannt sind die ersten Takte des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach (1685-1750) den allermeisten hier, für viele ist es die Weihnachtsmusik schlechthin, eine lebenslange Erinnerung. Manch einer versteht zwar die Sprache des Textes nicht, bunt gemischt sind die Nationalitäten unter den rund 1050 Zuschauern, die Stimmung tiefer Religiosität und Festlichkeit des Anlasses erschließt sich aber jedem Zuhörer allein über die Kraft der Musik.
Auf dem Programm stehen nur die Kantaten Nr. 1, 4, 5 und 6 - somit fällt das Konzert mit gut 100 Minuten angenehm kurz aus. Die mythische Kraft der Musik kann sich jedoch offenbar vollends entfalten: "Das hat eine große Transzendenz, kann einen zum Glauben bringen", sagt eine Zuschauerin aus Trier.
Durchsichtiges Klanggebilde


Mit Thomas Hengelbrock steht ein Dirigent auf der Bühne, der das barocke Werk fernab jeder bombastischen Geste interpretiert. Sein Balthasar-Neumann-Ensemble und -Chor spielen und singen mit filigraner Leichtigkeit, die dennoch von innerem Glühen erfüllt ist. Ihr Schaffen steht in der Tradition des barocken Baumeisters Neumann, dessen Vision epochen- und genreübergreifend war.
Hengelbrock zelebriert eine variable Dynamik der Musikführung, Gesang und Instrumente überlagern sich, ein fast durchsichtiges Klanggebilde entsteht. Die Stimmen des großartigen Chores sind für sich sehr individuell,. Alle Solisten treten aus dem Chor heraus, nur Tenor Tilman Lichdi als Evangelist steht vorne beim Pult des Dirigenten.
Besonders berührend gelingt die berühmte Echo-Arie für Sopran der Kantate Nr. 4, fein abgestimmt und variiert bringen der zweite Sopran (von der Balustrade aus) und die Oboe kunstvolle Kontrapunkte. Flöten, Trompeten und Hörner setzen durch Forcierung und Nuancierung einzelner Passagen musikalische Ausrufezeichen.
Hervorzuheben ist Tilman Lichdi, der als Evangelist die Geschichte um die Geburt Jesu erzählt. Sein Tenor begeistert durch eine lyrische Stimmführung, klare Diktion und exakte Intonation. Dabei gibt er dem Text durch gezielte Hebungen und Senkungen eine besondere Bedeutung.
Die Luxemburger Philharmonie reicht, als moderne Kathedrale der Musik, in ihrer Atmosphäre sicher nicht an Sakralbauten wie Leipzigs Kirchen St. Thomae und St. Nicolai (hier wurde das Werk 1734/35 uraufgeführt) heran, aber das äußerst geneigte Publikum spendet großzügig den verdienten Applaus.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort