Kontrast zum Karneval

Ob da jemand bei der Konzertplanung nicht in den Kalender geschaut hat? Die Weiberfastnacht entzog dem 5. Sinfoniekonzert im Trierer Theater jedenfalls einen Gutteil meist junger, weiblicher Besucher.

Trier. Karneval findet auf den Trierer Straßen statt, aber nicht unbedingt in den Köpfen der Konzertplaner. Das Programm des 5. Sinfoniekonzerts versammelte jedenfalls mit Kurt Hessenberg, Carl Maria von Weber und César Franck nicht gerade die Exponenten karnevalsgerechter Ausgelassenheit. Aber vielleicht lässt sich das künstlerische Konzept auch anders verstehen - nämlich als Kontrast zum karnevalesken Umtata.

So gesehen war Hessenbergs "Sturm"-Suite von1942 das rechte Stück am rechten Platz. Der Komponist baut eine zarte Gegenwelt zum kriegslüsternen Marschtritt seiner Zeit auf. Im unspektakulären Feinsinn ist Verweigerung mitkomponiert. Vor diesem Hintergrund entfaltet die siebenteilige Suite eine beklemmend stille Faszinationskraft. Nicht das Lautstark-Überredende der Wagner-Nachfolge steht bei ihr im Mittelpunkt, sondern eine gedankenreich-gediegene, bisweilen fast kunsthandwerkliche Detailarbeit, Musik fürs liebevoll-aufmerksame Ohr.

Gastdirigent Jürgen Bruns zielt auf die persönlichen, die intimen Züge der Komposition, freilich mit wechselndem Erfolg. Immer wieder zeigte sich: Die Trierer Philharmoniker, die in der Alltags-Routine andere, robustere Qualitäten entwickeln müssen, tun sich schwer mit solch kammermusikalisch aufgefächertem Klang. Den Holzbläsern unterliefen immer wieder Intonations-Unschärfen, und den Streichern fehlten Beweglichkeit und hell klingende Leichtigkeit.

Brillanz ohne Blendeffekt



So erstarrte die bewegend zärtliche Erotik des fünften Satzes in zähem Akademismus, und erst im Epilog stellte sich der nachdenkliche Tonfall ein, der diese Musik von orchestraler Dutzendware abhebt.

Auch Webers 2. Klarinettenkonzert offenbarte philharmonische Defizite. Die Klangbalance in den Tuttistellen der Ecksätze fehlte, Jürgen Bruns ließ die Bläser, allen voran die Trompeten, allzu offen aufspielen, so dass die wichtigen Streicherpartien glatt untergingen. Schade, denn der Dirigent und seine Musiker profilierten sich außerhalb der Tutti-Stellen als sorgfältige und sensible Begleiter. Und der Solist brachte dazu Sachlichkeit und Ausdruck eindringlich auf einen Nenner. Hausmann gab nach leicht angestrengtem Einstieg seine Partie eine unprätentiöse Virtuosität mit - Brillanz ohne Blendeffekt und dazu mit sicherem Gespür für Ausdrucksnuancen. Wie bestechend gelingen ihm die leisen, kantablen Melodiebögen des Mittelsatzes! Und auch das Orchester fand dort zu einer geradewegs mozartischen Wärme.

Dann César Francks Sinfonie d-Moll! Mag das Werk dem Orchester vertrauter gewesen sein als Hessenberg oder Weber, mag Jürgen Bruns einen größeren Anteil seiner knappen Probenzeit dafür eingesetzt haben: Jetzt endlich entfaltete sich im nüchternen Trierer Theater etwas von dem Geist großer Sinfonik. Bruns und die Philharmoniker vermittelten die anspruchsvolle, schwierige, zuweilen allzu dichte und im Orchestersatz nicht immer glückliche Tonsprache des Franzosen deutscher Abstammung beredt, atmend, ausbalanciert und schlichtweg überzeugend.

Bruns feilt die Dynamik aus, modifiziert die Tempi, gibt der musikalischen Entwicklung eine bestechende Logik mit und findet genau den beweglichen, trocken-pathetischen Stil, der diese Sinfonie ins beste Licht rückt. Das Publikum jubelte. Wunderbar!

Meistgelesen
Neueste Artikel
Vom erwischt werden
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael BoltonVom erwischt werden
Zum Thema
Aus dem Ressort