"Morgen alle erschießen!"

TRIER. Die deutsche Wehrmacht begann ihren Vernichtungskrieg im Osten nicht erst 1941, sondern bereits 1939 beim Einmarsch in Polen. Diese Erkenntnis beanspruchen die Macher der Ausstellung "Größte Härte" für sich. Die eindrucksvolle Schau ist bis Anfang März in Trier zu sehen.

 Die Zivis Jürgen, Michael und Markus (von links) schauen sich die Wehrmachtsausstellung im Foyer der Volkshochschule Trier an.TV-Foto: Inge Kreutz

Die Zivis Jürgen, Michael und Markus (von links) schauen sich die Wehrmachtsausstellung im Foyer der Volkshochschule Trier an.TV-Foto: Inge Kreutz

Herz verschließen gegen Mitleid. Brutales Vorgehen. 80 Millionen Menschen müssen ihr Recht bekommen. Ihre Existenz muss gesichert werden. Der Stärkere hat das Recht. Größte Härte. Aus dieser Ansprache Adolf Hitlers am 22. August 1939 stammt der Name der Ausstellung, die derzeit im Foyer der Trierer Volkshochschule am Domfreihof zu sehen ist: "Größte Härte - Verbrechen der Wehrmacht in Polen im September/Oktober 1939". Auf 42 Schautafeln thematisiert die Schau des Deutschen Historischen Instituts in Warschau den nationalsozialistischen Überfall auf Polen. Bisher sei man in der deutschen Forschung davon ausgegangen, dass die Wehrmacht erst in späteren Jahren mit Mord und Terror begonnen habe, sagt Ausstellungsmacher Jochen Böhler. Der aus Trier stammende promovierte Historiker und seine Kollegen weisen nun nach, dass die Verbrechen bereits 1939 begannen. Mittel gleichgültig. (...) Es handelt sich nicht darum, das Recht auf unserer Seite zu haben, sondern ausschließlich den Sieg. (Eintrag ins Kriegstagebuch des Generalstabschefs des Heeres, Franz Halder, am 22. August 1939) Eine Besonderheit sei, dass die Ausstellung von deutschen und polnischen Historikern gemeinsam entwickelt wurde, berichtet Böhler. Dadurch bringe sie unterschiedliche Sichtweisen miteinander in Einklang. "Im Westen ging man lange davon aus, dass die Wehrmacht mit Schweinereien nichts zu tun hatte", sagt Böhler. "In der östlichen Version war sie dagegen an allem Schuld. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen." So werden neben Aspekten wie Luftkrieg, Zivilgefangene, Freischärler und Juden auch Bedenken von Wehrmachtsangehörigen thematisiert. Protokolle und Zeitungsausschnitte, Karten und Fotos, vor allem aber die Zeitzeugenberichte verleihen der Schau Eindringlichkeit. Um Mitternacht brachten die Deutschen mich mit meinen Kindern an die Landstraße, wo ein älterer deutscher Soldat im Straßengraben lag und Befehle erteilte. Der Soldat, der uns begleitete, sagte zu ihm: "Das sind nur arme Arbeitsleute." Der Vorgesetzte schrie ihn an: "Das ist alles polnischer Mist. Morgen alle erschießen!" (Aussage einer Zeugin, die am darauf folgenden Tag entkommen konnte) Anfeindungen wie die berühmte Hamburger Wehrmachtausstellung sei seine Schau, die bisher in zahlreichen polnischen und deutschen Städten zu sehen war, nicht ausgesetzt, sagt Böhler. Damals sei mit der Thematisierung der Wehrmachts-Verbrechen ein Tabu gebrochen worden. "Wir werden als Ergänzung wahrgenommen: Ach, in Polen gab's das auch?!"120 Besucher kommen zur Eröffnung

Johannes Platz von der Trierer Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), die die Schau nach Trier geholt hat, freut sich über fast ausschließlich positive Reaktionen. Allein zur Eröffnung seien 120 Besucher gekommen. Mit der Ausstellung wolle man ein Zeichen setzen gegen revisionistische Tendenzen, sagt Platz. Und Bewusstsein schaffen. Damit nicht noch einmal Vorfälle thematisiert werden müssen wie beim Dienstunterricht dieses Wehrmacht-Kommandeurs am 12. Oktober 1939: Und wir haben die traurigen Bilder gesehen und miterlebt, dass deutsche Soldaten sengen, brennen, morden, plündern, ohne sich etwas dabei zu denken. Erwachsene Menschen, die sich nicht einmal dessen bewusst sind, was sie tun (...). Die Ausstellung ist bis 17. März zu sehen, und zwar werktags von 10 bis 17 Uhr sowie samstags und sonntags von 10 bis 13 Uhr. Den Katalog gibt es bei der Volkshochschule Trier, ebenso Böhlers Buch "Auftakt zum Vernichtungskrieg".

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