Mut zum Neubeginn - und Zeit

Trier · Trier ist wie keine andere Stadt in Deutschland prädestiniert, das "Kulturelle Römische Erbe" in Szene zu setzen. Insoweit war und ist es schlüssig, Projekte zu entwickeln und durchzuführen, die dieses Alleinstellungsmerkmal unterstreichen.

Ob es sinnvoll ist, die deutsche Festivallandschaft um ein weiteres zu bereichern, hängt davon ab, ob ein solches Festival aufgrund seines künstlerischen Konzeptes oder seiner professionellen Präsentation internationale Aufmerksamkeit hervorruft.

Diese Kriterien darf man bei der bisherigen Historie der Antikenfestspiele hinterfragen. Sicher war das ursprüngliche "Kindermann-Konzept" vielversprechend. Leider endete die Umsetzung in einer Aneinanderreihung von "antiken Stars an antiken Stätten". Zudem wurde die zukunftsweisende Organisation in Form eines Eigenbetriebes durch Egozentrik und falsch praktizierte Allmacht demontiert.

Antikenfestspiele sind in der bisherigen Form von drei Sparten (Musiktheater, Schauspiel und Tanz) schwer wiederzubeleben oder zu finanzieren. Trier und auch die Region sollten sich in Form eines "Römischen Sommers" wiederfinden, in dem es einen Schulterschluss eines Theaterfestivals an römischen Stätten (Antikenfestspiele) und panem et circenses (Brot und Spiele) gibt.

Die kulturelle Spielform der Römer war das Schauspiel. Sollte man das nicht als Schwerpunkt wählen? Dann ließen sich auch bezahlbare "kleine und feine" Spielorte mit attraktiven Schauspielinszenierungen von internationalen Bühnen samt Filmstars mit vertretbaren Mitteln und ohne große Wetter- und Organisationsrisiken qualitativ hochwertig durchführen. Und nur so etwas hat auf dem internationalen Festivalmarkt eine Chance.

Qualitativ Gutes auf der Bühne, perfektes Angebot für den Zuschauer an Sitzplätzen und allem "Drumherum", optimale Regenalternative im Theater mit Kulisse, Abschiednehmen von großen Musikproduktionen ohne regensicheres Orchester, keine Emissionsprobleme: Das alles bieten mit vorhandenen Tribünen die Kaiserthermen, aber auch der Innenhof hinter der römischen Basilika. Dann ergäbe sich rund um die Kaiserthermen mit antikem Theater und "Brot und Spiele" sowie dem angrenzenden Landesmuseum eine römische Gesamterlebniswelt mit beachtlichem Potenzial. Und zwar nicht nur in der Darstellung und Wahrnehmung, sondern auch in der vernetzten Organisation beider wichtiger und zu erhaltender Projekte. Eine gemeinsame Werbung erreicht den Touristen wie auch den so genannten "Bildungsreisenden".

Eine von der Tagespolitik und dem Theaterbetrieb losgelöste Betriebsform (beispielsweise eGmbH oder GmbH) ist für einen dauerhaften Erfolg unabdingbar. Dies zeigen eigentlich fast alle erfolgreichen Festivals, wie Worms, Schwäbisch-Hall, Bregenz, Bad Hersfeld und selbst das kleine Mayen.

Die Antikenfestspiele - wie auch immer - auf einen neuen Weg zu bringen, benötigt Mut zum Neubeginn, Zeit, alle Protagonisten einzubeziehen - und eine breite politische Mehrheit, die ihre Entscheidung eine Legislaturperiode lang gemeinsam trägt. Das ist wichtiger als kurzfristige Entscheidungen unter Zeitdruck.

Hermann Lewen

Hermann Lewen ist Gründer und Intendant des Mosel Musikfestivals, das seit 1985 350 000 Besucher anlockte.

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