Philipp Hochmairs schauriger Prozess

Luxemburg · Unheimlich nahegehend: Philipp Hochmair hat im luxemburgischen Kapuzinertheater vor mehr als 300 Zuschauern einen eindringlichen Monolog nach Franz Kafkas Roman "Der Prozess" gehalten.

Luxemburg. Kafkas Prozess in einer Stunde? Klingt unmöglich. Doch Philipp Hochmair macht genau das: Seit sechs Jahren bringt der Schauspieler in einer Produktion des Hamburger Thalia Theaters (Konzeption: Andrea Gerk und Philipp Hochmair) den unvollendeten Roman in einem intimen Monolog auf die Bühne - zuletzt auf die des Kapuzinertheaters.
Die radikale, mutige Reduktion auf wenige Textpassagen betont die fatalistische Zwangsläufigkeit von Josef K.s gehaltloser Anklage, über dessen selbstverteidigende Suche nach dem Grund bis zur animalischen Hinrichtung. Und sie unterstreicht die Zeitlosigkeit der Frage nach Schuld und Verantwortung und die nach der Gerechtigkeit des Rechts.
Hochmair spricht diesen unaufhaltsamen Prozess, als habe er sich K.s Schicksal zu eigen gemacht. Obwohl in personaler Erzählperspektive verfasst, scheinen alle Figuren, vom Aufseher über den Untersuchungsrichter und die Vollstrecker bis hin zum Erzähler, sich in Josef K. zu vereinen, in ihm gefangen zu sein - oder gar in Hochmair selbst.
Mechanische, schmerzhaft-verstörende Geräusche (Komposition: Michael Maierhof) durchschneiden immer wieder den Monolog, irritieren K. und scheinen doch Teil seiner Gedanken, Ausdruck seiner Uneinigkeit mit sich selbst zu sein. Die oft unscharfen Dias, wie diffuse Beweisstücke auf die Leinwand geworfen, erscheinen als kaum nachvollziehbare Assoziationen, Erinnerungsfetzen.
Es ist ein irritierender Alptraum, den Hochmair aus dem Roman herausschält. So unangenehm einem K.s Trudeln, die verzweifelten Rechtfertigungen für sein teils sich selbst demütigendes Verhalten auch sind - man kann sich seinem Untergang nicht entziehen, muss ihn mitgehen und erleiden. arn

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