reingehört

The George Shearing Trio, "Jazz Moments", EJC 55632, über in-akustik "An diesem langen, beschissenen Wochenende machten Dean und ich uns auf ins ,Birdland\', um Shearing zu sehen. Zehn Uhr nachts, der Club war leer, wir waren die ersten Gäste.

Dann kam Shearing heraus und tastete sich zum Klavier. Er war einer von diesen arroganten Engländern, doch der Eindruck verflog, als er die erste Kräuselnummer spielte." Zwei Idole der fünfziger Jahre treffen in dieser Szene zusammen: Jack Kerouac, der die Begegnung in seinem Roman "On the road" beschreibt, und der blinde Pianist George Shearing, der in jenen Jahren zu den populärsten seines Fachs gehörte. Kein Wunder: Bevorzugte der aus Großbritannien stammende Musiker doch einen sehr gefälligen Stil, über den Jazzpuristen die Nase rümpften. Sie stellten ihn in eine Reihe mit den Hotellobby- und Barpianisten, die mit ihrem "Easy-Listening-Sound" Unterhaltungen und Gläserklirren kontrapunktierten und Shearings Art zu spielen mehr oder weniger gekonnt imitierten: wuchtige Blockakkorde, aufgeteilt auf die rechte und linke Hand, die, in Kombination mit Gitarre, Vibraphon und Bass den berühmten "Shearing-Sound" ergaben. Ganz und gar nichts Barpianistisches haben freilich die Trio-Aufnahmen von 1962, die Shearing mit dem Bassisten Israel Crosby (der noch im selben Jahr der Aufnahme im Alter von 43 Jahren starb) und dem Schlagzeuger Verbel Fournier im Basin Street Club in New York machte. Mit den zwölf Ohrwürmern präsentiert sich der Musiker auf dem Höhepunkt seiner Karriere, als er sein Ideal, "einen ruhigen Gegenpol zum hektischen Bebop zu setzen" und andererseits "die Bigband-Musik der Swing-Ära in kleinere Besetzungen zu transponieren", in praktisch jedem Song verwirklichte. Der Aufnahme, die jahrzehntelang vergriffen war, sind als Bonustracks zehn weitere Standards mit dem Shearing-Quintett sowie zwei (recht entbehrliche) mit vollfettem Orchester beigefügt. Vom Quintett gibt es auch jene Nummer zu hören, die Shearing und den Club, in dem er seine größten Erfolge feierte, verewigt hat: "Lullaby of Birdland". Nostalgie pur. Am Ende jenes Konzerts, in das der Beatpoet Jack Kerouc geraten war, notiert er: "Gott ist gegangen. Es herrschte die Stille seines Abschieds. Draußen regnete es." Rainer Nolden

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