Sonnenblumenkerne und ein Michelangelo hinterm Sofa

Die Briten sind für ihren ganz eigenen Humor berühmt. Doch wenn es um die Verleihung des mit rund 57 000 Euro dotierten Man-Booker-Preises ging, mussten immer die wieder ernsten Literaten ran.

Jetzt wurde mit "The Finkler Question" von Howard Jacobson erstmals ein humoristischer Roman prämiert. Gleich nach der Preisverleihung kündigte der Literat übrigens an, vom Preisgeld eine Handtasche für seine Frau kaufen zu wollen.

Deutlich düsterer geht es in Eugene O'Neills autobiografisch gefärbtem Familiendrama "Eines langen Tages Reise in die Nacht" zu. In einer Inszenierung von Regisseur Ulrich Waller feierte die Geschichte des Literaturnobelpreisträgers rund um eine von Hass und Selbstzerstörung geprägte Schauspielerfamilie in dieser Woche Premiere in Hamburg. In der Rolle des versoffenen Sohns Jamie glänzte Bayreuth-Schauspieler Ben Becker.

Das Stück einer anderen Literaturnobelpreisträgerin sorgte in Düsseldorf für einen handfesten Eklat. Bei der Inszenierung von Elfriede Jelineks "Rechnitz (Der Würgeengel)" über ein Nazi-Massaker an 180 Juden verließen die Zuschauer weit vor dem Ende scharenweise das Theater, ein Besucher soll eine Mitarbeiterin sogar bespuckt haben. Der Protest richtete sich vor allem gegen die Schlussszene, einem vier Minuten langen Dialog des Kannibalen von Rotenburg mit einem seiner Opfer. Das Theater zog Konsequenzen und bietet jetzt vor jeder Vorstellung eine Einführung in das Stück an.

An ein anderes dunkles Kapitel deutscher Geschichte erinnert das "Mauer-Oratorium" des palästinensisch-israelischen Komponisten Samir Odeh-Tamini. Am Samstag wird das Werk in der Dresdner Frauenkirche gespielt, das Libretto stammt vom Dresdner Lyriker Christian Lehnert und nimmt Bezug auf die Ereignisse rund um die Berliner Mauer.

Mit einer Installation aus 100 Millionen Sonnenblumenkernen aus Keramik will der Chinese Ai Weiwei der Porzellan-Kunst in seiner Heimat ein Denkmal setzen. Die Auftragsarbeit für die britische Tate Gallery besteht aus 150 Tonnen handgefertigter Samen, die den Boden der berühmten Turbinenhalle der Londoner Tate Modern zehn Zentimeter hoch bedecken. Ungefähr drei der Kerne habe er selbst bemalt, gestand der Künstler - um den Rest kümmerten sich 600 chinesische Maler in zwei Jahren Fleißarbeit.

Während die Tate Gallery mindestens zwei Millionen Ai WeiWei-Fans erwartet, haben bislang weit weniger Menschen das Michelangelo-Gemälde zu Gesicht bekommen, das im US-Bundesstaat New York im wahrsten Sinne des Wortes hinterm Sofa entdeckt wurde. Das Gemälde des italienischen Renaissance-Künstlers, das sich im Besitz einer deutschstämmigen Familie befindet und seit Generationen vererbt wurde, halten Experten für echt. Es handelt sich um eine "Pietà", ein Bild der Muttergottes mit dem vom Kreuz genommenen Jesus. Das Gemälde hatte jahrelang im Wohnzimmer der Familie gehangen - doch als die Kinder das Kunstwerk beim Spielen mit Tennisbällen bewarfen, nahm Vater Martin Kober es vor fast 30 Jahren ab und brachte es hinter dem Sofa in Sicherheit.

Eva Großeastroth

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