Sprühende Funken

Bereits zum zweiten Mal kam Deutschlands angesagteste Choreografin Sasha Waltz nach Luxemburg, um die Uraufführung eines Musiktheater-Projekts zu inszenieren. Nach "Dido und Aeneas" stand diesmal der Mythos "Medea" im Blickpunkt ihrer spartenübergreifenden Betrachtungsweise.

 Caroline Stein (vorn) in der Medea-Inszenierung in Luxemburg. Foto: privat

Caroline Stein (vorn) in der Medea-Inszenierung in Luxemburg. Foto: privat

Luxemburg. (DiL) Eigentlich hätte es ja etwas ganz anderes werden sollen. Ursprünglich stand Cherubinis Opern-Klassiker als Grundlage für die Auseinandersetzung von Sasha Waltz mit dem Thema "Medea" auf dem Programm. Doch dann besann man sich eines anderen, und an die Stelle des musikalischen Schauer-Dramas aus dem späten 18. Jahrhundert trat die 1991 entstandene Musik des Franzosen Pascal Dusapin zu Heiner Müllers "Medeamaterial".Dusapins kühl-moderne musikalische Akzente sind bisweilen von spröder Schönheit, aber selten sinnlich. Deshalb passen sie trefflich zu den Wortbrocken, die Heiner Müller seine Medea in den Raum schleudern lässt. Ein Meisterwerk der Reduzierung, die ganze Geschichte von der verratenen Frau, die ihre Kinder umbringt, in wenigen Sätzen von elementarer Kraft verdichtet. Aber eben als analytischer Modellfall, nicht als individuelle Passionsgeschichte.Die Opern-Version verstärkt den Effekt noch, indem Medeas untreuer Ehemann Jason nur als Stimme vom Band auftritt. Noch einsamer, noch abstrakter werden Medeas Regungen auf der fast leeren, nur von acht großen Windmaschinen begrenzten Bühne. Aber was für eine Projektionsfläche für die gewaltigen Bewegungsbilder von Waltz' Tanz-Ensemble! Von Oper ist da nicht mehr sehr viel übrig, aber die Tableaus faszinieren enorm. Wenn die Tänzer als Glieder einer menschlichen Kette über die Bühne rollen, sich liegend zu einem Kreis formieren, wenn sie sich mit der Wildheit von Pogo-Tänzern anspringen, gegen den Sturm der Windmaschinen ankämpfen, wenn Medeas Nebenbuhlerin am vergifteten Kleid und Schmuck buchstäblich verglüht - dann stört es nicht, wenn die Musik minutenlang völlig schweigt.Die vorzügliche Sopranistin Caroline Stein wandert durch die Bilder-Welt, die sie umwogt, oft wie eine völlig Fremde. Medea eben. Man kann ihr Ausgesetzsein nachvollziehen, aber Mitgefühl, gar Sympathie, erzeugt die Rolle kaum. Soll sie wohl auch nicht: Die Stimmführung, mit der Dusapin seine einzige Solo-Rolle ausgestattet hat, ist geradezu maschinell. Hoch spannend sind die Parts von Chor und Orchester, brillant gestaltet vom Vocalconsort Berlin und der Akademie für alte Musik unter der Leitung von Marcus Creed. Zwischen Chor und Tänzern sprühen Funken.Am Ende ergiebiger Beifall. Und doch vielleicht bei dem einen oder anderen das Gefühl, es wäre interessant gewesen, wenn die Kraft von Sasha Waltz dem alten Schinken von Cherubini neue Aspekte entlockt hätte.Vorstellungen: 25. Mai, 20 Uhr; 27. Mai, 15 Uhr. Infos: 00352/47963900; www.theater-vdl.lu

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