Starpianist bringt Morgenstern zum Leuchten

Trier · Schon 2001 hat Martin Stadtfeld sein Debüt beim Mosel Musikfestival gegeben. Zum 30. Geburtstag holte Intendant Hermann Lewen den international konzertierenden Pianisten nun erneut an die Mosel. Im ausverkauften Rokokosaal des Kurfürstlichen Palais begeisterte er das Publikum mit einem sehr emotional vorgetragenen Programm.

 Hochkonzentriert und tief versunken in die Musik: Pianist Martin Stadtfeld bei seinem Auftritt im Kurfürstlichen Palais Trier. TV-Foto: Marianne Binzen

Hochkonzentriert und tief versunken in die Musik: Pianist Martin Stadtfeld bei seinem Auftritt im Kurfürstlichen Palais Trier. TV-Foto: Marianne Binzen

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Trier. Er leuchtet eindeutig, der Morgenstern. Dafür sorgt Martin Stadtfeld, gebürtiger Koblenzer, am Sonntagvormittag mit einem abwechslungsreichen Programm Bach'scher Musik für Tasteninstrumente. Dafür hat der 34-Jährige einige Orgelwerke selbst für das Klavier bearbeitet und eingerichtet.
Er eröffnet mit dem Choralvorspiel "Wie schön leuchtet der Morgenstern", ebenfalls Titel seiner 2014 veröffentlichten CD, und stimmt sein Publikum damit auf ein beeindruckendes Konzert ein. Fast nahtlos fügt sich die erste Toccata an (fis-Moll, BWV 910), ebenso wie das Choralvorspiel aus der frühen Schaffensphase des großen Musikers. Hier zeigt sich Stadtfelds ausgeprägte Fähigkeit, Gegensätze agogisch (im Tempo) und dynamisch (in der Lautstärke) differenziert herauszuarbeiten und die Wirkung und die Aussagekraft dieser Komposition dadurch zu verstärken.

Und dass der italienische Begriff Toccata berühren, bewegen und auch anschlagen heißt, wird spätestens bei der bekannten und beliebten d-Moll-Toccata und Fuge, BWV 565, nachvollziehbar. Die hohen Töne perlen die Tastatur hinab, im Bass herrscht ein lautes Donnern, dem wuchtigen und massiven Beginn folgen ariose, lyrische Abschnitte.
Virtuos und sehr individuell interpretiert der mehrfach ausgezeichnete Pianist das Werk, haut buchstäblich in die Tasten, um anschließend zu einem sensiblen Piano überzugehen. Den Aufbau der Fuge stellt er analytisch dar, ohne dabei an Gefühl zu verlieren. Dies alles ist so berührend, dass die Zuhörer im Anschluss spontan applaudieren.

Von großer Empathie und viel Feingefühl geprägt ist auch Stadtfelds Vortrag des "Capriccio auf die Abreise des geliebten Bruders", in dem Bach möglicherweise die Abreise des eigenen Bruders als Musiker in der schwedischen Armee verarbeitet hat. Die barocken Verzierungen gestaltet er als liebliche Schmeicheleien, um die Reise zu verhindern, scharfe und spitze Klänge warnen vor den Gefahren der Fremde. Im Adagiosissimo, dem dritten Satz, versinkt Stadtfeld regelrecht in tiefer Traurigkeit und Melancholie, die ein solcher Abschied mit sich bringen kann, und seine eigene Versunkenheit in die Musik überträgt sich auf das Publikum. Bis zu den finalen Motiven des Posthorns spricht er die ganze Bandbreite der Gefühle an, und das so gekonnt, dass auch romantisch klingende Abschnitte nicht kitschig wirken. Fast schade, dass Johann Sebastian Bach nicht mehr Programmatisches komponiert hat.

Stadtfeld rundet seine Hommage an dessen frühe Werke mit der im Tempo gemäßigten Passacaglia c-Moll ab. Als Zugabe spielt er eine Toccata und einen Choral, beides von Robert Schumann, mit denen er den thematischen Kreis vollendet. Wer glaubt, Bachs Musik komme erst an der Orgel in einem möglichst großen Kirchenraum richtig zum Leuchten, wurde aufgrund der teilweise fast berauschenden Klangfülle und der emotionalen Gestaltung der Werke eines Besseren belehrt.
Martin Stadtfeld, der zwischen 2001 und 2012 bereits sieben Mal beim Mosel Musikfestival gastierte, erweist sich erneut als einer der bedeutendsten Bach-Interpreten der Gegenwart.
Außerdem hat er die Vermittlung klassischer Musik an Kinder und Jugendliche zu seiner Sache gemacht und stellt daher sein Honorar dem Verein Freunde des Mosel Musikfestivals zur Verfügung, der damit junge Musiker unterstützt und fördert.

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