"Totale Anpassung will ich nicht"

KÖLN. Der Goldene Bär war für alle Beteiligten eine Überraschung. Der Preis kommt nicht nur Fatih Akins "Gegen die Wand" zugute, sondern stärkt auch das Ansehen des deutschen Films.

"Gegen die Wand" ist keine Event-Produktion. Ist der Berlinale-Preis zu groß für den Film? Akin: Nein, gerade auf der Berlinale finden sich nur sehr wenige Ereignisfilme, die diesen Preis bislang bekommen haben. Eigentlich werden dort doch eher Arthaus-Titel prämiert. Als ich in der Jury war, wurde etwa "Intimacy" ausgezeichnet. Spüren Sie schon Rückenwind durch den Berlinale-Erfolg? Akin: Absolut. Der Film hat sich bis jetzt schon in über 30 Länder verkauft. Und auf dem Filmfest in Belgrad letztens lief er vor 5000 begeisterten Zuschauern. Zu Hauptdarstellerin Sibel Kekilli gab es die leidige Enthüllung, die kurzfristig einigen Wirbel verursachte. Halten Sie es im Blick zurück für einen Fehler, dass die Vergangenheit der Schauspielerin zunächst geheim gehalten wurde? Akin: Auf gar keinen Fall, ich halte das nach wie vor für richtig, wie wir da verfahren sind. Und wenn mich das nicht kratzt, was Sibel vorher gemacht hat, dann denke ich mir: Was soll die Leute das interessieren? Außerdem habe ich in Berlin gesagt, das Sibel besetzt wurde, weil sie mit Birol Ünel das beste Paar ergab. Dazu stehe ich, und das ist alles dazu. Ihre Filme beinhalten bislang alle ethnische Themen. Akin: Diese Menschen leben nun mal hier. Deutschtürken, Deutschitaliener, Deutschjugoslawen; es gibt sicherlich noch mehr Gruppierungen. Das sind ja nicht wenige. Und ich bin ein Teil davon. Ich habe eben eine andere Sozialisation als Christian Petzold, Andreas Dresen oder Tom Tykwer. Und mit welchem Ziel? Ein Prediger sind Sie ja offenkundig nicht. Akin: Nein, ich will dahin, dass es irgendwann heißt: Der neue Akin ist im Kino. Und diesmal geht es um Liebe und Schmerzen. Und Ünel spielt mit, oder Kurtulus. Lasst uns den mal angucken. Aber nicht, weil es um Deutschtürken geht, sondern weil die Geschichte interessant ist. Ist der Film dann auch das Resultat misslungener Integrationspolitik? Akin: Das weiß ich nicht. Sagen wir lieber so: Es hat in Deutschland eine Integrationspolitik gegeben, die zumindest bis jetzt gescheitert ist. Andererseits wird es wohl eine hundertprozentig friedfertige Integration niemals geben. Man kann das Beste, das Positive aus der Ge- sellschaft ziehen und das als Summe von uns allen begreifen. Und das ist nun deutsch. Oder will man ein gegenseitiges Anpassen, wo die nicht Deutschdeutschen alle Tradition und Kultur komplett aufgeben? Das ist nicht das, was ich will. Die Fragen stellte unser Mitarbeiter Uwe Mies.

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