Der Bulle auf dem Dachboden

Stiere sind bis in die Zeit um 1965 in jedem Ort als Zuchtbullen benötigt worden. Auch die ehemals selbständige Gemeinde Monzel hielt im Stierstall mindestens zwei Bullen, um die Kühe der zahlreichen Monzeler Landwirte und Winzer zu decken. Einer konnte sogar Treppen hochsteigen.

 Vor dem ehemaligen Stierstall in Monzel erzählen sie die Geschichte vom Monzeler Bullen: Stefan Christen, Walter Caspari, Anna und Lisa Christen, Alfred Christen (von links). TV-Foto: Erich Gerten

Vor dem ehemaligen Stierstall in Monzel erzählen sie die Geschichte vom Monzeler Bullen: Stefan Christen, Walter Caspari, Anna und Lisa Christen, Alfred Christen (von links). TV-Foto: Erich Gerten

Osann-Monzel. (ger) Stiere sind nicht nur aus spanischen Stierkampfarenen als wilde Tiere bekannt. Auch die einheimischen Bauern hatten gehörigen Respekt vor den mitunter stürmisch agierenden Tieren.

In Monzel hielt die Gemeinde zwei Bullen, um die Kühe der Monzeler Bauern und Winzer zu besamen. Wenn der ältere Bulle zu träge geworden war, wurde ein junger angeschafft und der ältere als Schlachttier gemästet.

Alfred Christen, Stefan Christen und Walter Caspari wissen aus Erzählungen, dass in der Zeit um 1912 der Dorfschmied Haub rich für die Versorgung der Bullen zuständig war. "Schmied Haubrich ging jeden Morgen die Scherbelgass (Hofstraße) hoch zum Stierstall, um die Bullen zu füttern", berichten die drei. "Eines Tages schloss er das eiserne Hoftor auf, dann die Stalltüre und erschrak: Da fehlte der alte Bulle! "Erst als Haubrich die steinerne Treppe zum Futterlager im Obergeschoss hinaufstieg, rief er erschrocken: "Hier steht der Bulle!" Der Schmied hatte am Abend zuvor vergessen, die Treppentür zu schließen. Obwohl angeleint, hatte sich der Stier losgerissen, war die Treppe hinaufgestiegen und futterte drauf los. "Wie den Bullen nach unten bekommen?", überlegten die mittlerweile benachrichtigten Gemeinderatsmitglieder, berichtet Stefan Christen, der den Hergang vom früheren Monzeler Bürgermeister Nikolaus Zenz (1888-1975) weiß. Ein Stier kann auch von erfahrenen Bauern nur schwer an der Leine geführt werden. Zudem würde sich der wuchtige Bulle treppab alle Knochen brechen. Alle Vorschläge vom Durchbrechen der hangseitigen Außenwand, um das Tier dort hinauszuführen oder dem Zusammenbinden der Beine und dem gemeinsamen Runtertragen, waren nicht durchführbar. Schließlich kam die Idee, den Bullen, der sowieso geschlachtet werden sollte, an Ort und Stelle zu erlegen. Der Gemeinderat informierte mehrere Schlachter und erklärte, dass "ein lebendiger Stier auf dem Speicher des Monzeler Stierstalls zum Schlachten versteigert werde und der Höchstbietende den Zuschlag erhalte. Mittlerweile hatte jeder im Dorf die Nachricht vom Stier auf dem Speicher mitbekommen. Neugierig versammelte sich die Monzeler Jugend auf dem Heuboden des Stierstalls in ausreichender Entfernung von dem gefährlichen Tier.

Der Schlachter Bastgen aus Kesten erhielt noch am selben Tag den Schlachtauftrag, und so endete das Leben des Bullen auf dem Futterplatz im Speicher des Monzeler Stierstalls.

Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich in den 60er Jahren, weiß Walter Caspari, dem der ehemalige Stierstall gehört. Aber da war die Lösung anders: Die Monzeler streuten jede Menge Stroh als Polsterung auf die Treppe, drängten den Stier an die Treppe - und der kullerte wie auf einer Rutsche hinunter.

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