Der Täter geht, das Opfer bleibt

BERNKASTEL-KUES. Von häuslicher Gewalt ist jede dritte Frau in Deutschland betroffen. Die Akademie Kues machte dieses Thema zum gegenstand eines Informationsabends. Mehr als 50 interessierte Frauen und Männer waren gekommen.

Wer schlägt oder mit Schlägen droht, muss gehen; das Opfer bleibt in der Wohnung. Astrid Dahmen, Fachanwältin für Familienrecht, erläuterte in ihrem Referat die Grundzüge des Gewaltschutzgesetzes. Das Gesetz wurde erlassen, sagt sie, um Opfern schnell helfen zu können und sie vor Gewalt zu schützen. Dazu gehört auch, dass bei angedrohter Gewalt ein Wohnungsverweis ausgesprochen werden kann. Es wurde die Frage gestellt, wie schnell Anträge bearbeitet werden. Darauf Astrid Dahmen: "Anträge werden sehr schnell bearbeitet. Wenn Akute Gefahr besteht, wird auch ohne mündliche Verhandlung ein Beschluss gefasst."Arbeiten mit gewalttätigen Männern

Diplom-Pädagogin Beate Stoff stellte das rheinland-pfälzische Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen, kurz RIGG, vor. Zum einen versteht sich dieses Projekt als Schnittstelle zwischen den Instanzen. An runden Tischen kommen regelmäßig Vertreter von Politik, Justiz, Polizei, der Ärzteschaft und Beratungsstellen zusammen, um Hilfsangebote für Betroffene zu optimieren. Zum anderen gibt es konkrete Hilfsangebote. Dazu gehört auch die Arbeit mit gewalttätigen Männern. "Um Gewalt zu verhindern, versuchen wir, ein neues Verhältnis der Geschlechter zu etablieren", sagt Beate Stoff. Wer mehr über "RIGG" erfahren möchte, kann sich im Internet informieren. Die Adresse lautet: www.RIGG-rlp.de. Polizeioberkommissar Manfred Raatz berichtete aus seinem Praxis- Alltag. Frauen werden mit den unterschiedlichsten Formen von Gewalt konfrontiert. Man unterscheide körperliche, sexualisierte, psychische und ökonomische Gewalt. Dazu gehört auch das so genannte "Stalking", so wird die Belästigung durch ständige Anrufe, Drohbriefe und Bespitzelung bezeichnet. Erst heute habe er einen solchen Fall der Staatsanwaltschaft gemeldet, sagte Raatz. "Die Mehrheit der bedrohten Frauen nimmt nur Akut Hilfe in Anspruch", führte er aus. Auch wenn Frauen immer wieder Opfer werden, gehen sie nicht so weit, den Täter aus der Wohnung zu verweisen. Sie wollen keine Trennung." Raatz bediente sich einer bekannten Redewendung: "Pack schlägt sich, Pack verträgt sich." "Wir führen Gespräche mit Opfern und Tätern und möchten die Bereitschaft fördern, dass Hilfe von Beratungsstellen in Anspruch genommen wird", sagte er. Weiter führte er aus, dass Opfer und Täter aus allen Schichten der Gesellschaft kommen. Weder Bildungsstand, Einkommen, Nationalität noch ethnische oder religiöse Zugehörigkeit schützen vor häuslicher Gewalt. Für Betroffene hat die Kriminalpolizei Wittlich ein Beratungstelefon eingerichtet. Es ist 24 Stunden unter der Nummer 06571/95000 erreichbar. Diplom-Sozialarbeiterin Helga Ritz, Beraterin für Frauen und Familien, erläuterte, wie in einer Beratung versucht wird, die Spirale der Gewalt zu beenden. Viele Gespräche seien notwendig, um betroffene Frauen zu stabilisieren und wieder in die Gesellschaft zu integrieren. "Es ist schwer, die Gewaltbilder aus den Köpfen zu bannen", sagte sie. "Manchmal reicht ein Geruch aus, um ein Flashback auszulösen. Das heißt, dass Opfer hat, ausgelöst durch einen Geruch, wieder die erlebten Gewaltszenen vor Augen." Dann lenkte Helga Ritz die Aufmerksamkeit auf die Kinder. Sie betonte, dass Folgeschäden immer auch belastend für die nachfolgenden Generationen seien. Letzten Endes müsse bei der Entscheidung, ob das Gewaltschutzgesetz in Anspruch genommen werde, auch an die Kinder gedacht werden. Denn Kinder seien auch Opfer dieser Gewalt. Und es bestehe die Gefahr, dass sie zu Nachahmern werden.

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