Der Winzer wird zum Netzwerker

Reil/Brauneberg · Neue Medien sind auch für Winzer ein Marketinginstrument. Einer, der Facebook, Twitter und Co konsequent nutzt, ist der Reiler Harald Steffens. Sein Brauneberger Kollege Stefan Steinmetz ist auch regelmäßig auf Facebook unterwegs und informiert seine Kunden über Neuigkeiten aus Win - gert und Weinkeller.

 „Mir macht's einfach Spaß“: der Internet-Auftritt des Reiler Winzers Harald Steffens. Foto: Birgit Pielen

„Mir macht's einfach Spaß“: der Internet-Auftritt des Reiler Winzers Harald Steffens. Foto: Birgit Pielen

Reil/Brauneberg. Harald Steffens betreibt seit 1982 ökologischen Steillagenweinbau. Nicht ganz so alt ist seine Leidenschaft für den Computer. 1987 hatte er den ersten Bildschirmtext (Btx), 1995 folgte die erste eigene Homepage fürs Weingut, Shop inklusive. Seit 2003 erzählt er in Bildergeschichten vom Alltag als Winzer, seit 2007 bloggt er regelmäßig: in seinem Onlinetagebuch. Mal geht\'s um Mostgewichte und den Moselpegel, mal um Büroarbeit oder den Bois noir (Schwarzholzkrankheit). Niemals aber geht es um Werbung. "Die hat in einem Blog nichts zu suchen", sagt er. Er erzählt aus dem Alltag: Geschichten aus dem Leben des Winzers.
So internetbegeistert wie Harald Steffens sind bei weitem nicht alle Winzer, weiß Susanne Bürkle vom Kompetenzzentrum Weinmarkt und Weinmarketing Rheinland-Pfalz. "Es gibt nur wenige Weingüter, die die sozialen Netzwerke kontinuierlich nutzen", sagt sie.
Auch der Brauneberger Winzer Stefan Steinmetz (33) schreibt auf seiner Facebook-Seite regelmäßig über Neuigkeiten aus dem Wingert, leitet Artikel über Wein, Reben und neue Trends aus der Weinwelt weiter. Doch ganz so enthusiastisch wie sein Reiler Kollege sieht er die sozialen Netzwerke nicht. "Das ist für mich ein Freizeitspaß mit einem positiven Nebeneffekt", sagt Steinmetz. Zwar habe er so schon einige Konakte zu neuen Kunden knüpfen können, überbewerten wolle er den Faktor Facebook jedoch nicht. "Es kommt vor, dass sich dann über Facebook ein Gespräch ergibt oder Kunden klicken auf den ‚Gefällt mir\'-Button eines Beitrags", sagt Steinmetz.
Die Internetbegeisterung in der Winzerzunft stößt auf ein geteiltes Echo. Eine Onlinebefragung der Forschungsanstalt Geisenheim unter deutschen Winzern ergab immerhin ein hohes Interesse am Thema. 30 Prozent gelten als enthusiastische Innovatoren: Diese Winzer erweitern ihre Social-Media-Aktivitäten ständig. 20 Prozent sind zurückhaltend: Sie nutzen das Netz, haben vermutlich eine aktuelle Homepage, bauen ihr Engagement aber nicht aus. 14 Prozent zählen zu den Experimentierfreudigen, die Facebook und Co. ausprobieren wollen. 36 Prozent der Winzer bezeichnen sich als Skeptiker: Das Netz ist für sie so undurchschaubar wie für andere die Qualitätsstufen beim Wein.
Susanne Bürkle sagt: "Man muss in den sozialen Netzwerken das finden, was zur Persönlichkeit, zum Weingut und zum Leben passt. Sonst macht\'s keinen Sinn." Und das sei keine Frage des Alters oder der Generation, betont Bürkle. Das zeige das Beispiel Steffens. Der Reiler sei mit 50 nicht mehr der typische junge Internetpionier. "Es gibt einige Winzer, die haben mit den sozialen Netzwerken ihre Marketingnische gefunden, andere machen einfach mit, weil sie Angst haben, etwas zu verpassen", sagt Bürkle. Die Internet-Sketiker unter den Weinbauern scheuten den Zeitaufwand, der sich für manch einen nicht lohne.
Harald Steffens geht\'s mühelos von der Hand. So gerne, wie er im Wingert Reben schneidet, schreibt er fürs Netz. "Mir macht\'s einfach Spaß", sagt er. Der Aufwand ist gering. Innerhalb von zehn Minuten füllt er sein Onlinetagebuch mit Texten und Bildern, verlinkt die Einträge mit Facebook, Google+ und seinem Twitter-Account Bioriesling. 700 Berichte hat er bereits verfasst. Der Nutzen ist dabei um ein Vielfaches höher als der Aufwand. "Bestandskunden werden informiert, neue Kunden gewonnen", sagt er. Mindestens 50 Prozent des Umsatzes laufen inzwischen über den Onlineshop.
Auch Susanne Bürkle sieht in den sozialen Netzwerken eine Chance, über die normale Betriebskommunikation hinaus Kundenbeziehungen aufzubauen. "Das Internet schafft somit eine virtuelle Nähe des Kunden zu seinem Winzer", sagt Bürkle.
Extra

Beim geschäftlichen Einsatz von Social Media steht Facebook bei deutschen Winzern mit 82 Prozent auf dem ersten Platz. 42 Prozent nutzen (auch) Xing. Das ergab die Onlinebefragung der Forschungsanstalt Geisenheim im August 2011. Twitter wird von 27 Prozent genutzt, Youtube von 21 Prozent. 11,5 Prozent schreiben einen Blog. Google+ ist in der Branche noch nicht sehr verbreitet. Zwei Prozent nutzen den Dienst. Auffallend: 50 Prozent der Winzer, die Social Media einsetzen, greifen auf mehr als zwei Kanäle zurück. pie

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