Kompromissbereit?

In der Politik werden zur Zeit national und international auf vielen Gebieten Kompromisse angestrebt. Verschiedene Interessen stoßen aufeinander, ohne dass eine Seite über die andere Macht gewinnt. Man will aber auch nicht beim Alten stehen bleiben, so wird am Verhandlungstisch hart gerungen.

Am Ende kommt ein Kompromiss heraus. Neue Gesetze, Geschäfte und Bündnisse entstehen… Es geht vorwärts, wenn auch langsam. Zum Glück haben inzwischen viele Menschen und auch Völker sich die Fähigkeit angeeignet, bei aller Verschiedenheit durch Kompromiss-Schließen gemeinsame Interessen voranzubringen. Der evangelische Theologe Jörg Zink schreibt in seinem neuen Buch "Die Urkraft des Heiligen" (Stuttgart 2003): "Das Wort ,Kompromiss' heißt wörtlich ,gegenseitiges Versprechen'. Es heißt so viel wie Verlobung. Wer einen Kompromiss schließt, tut sich mit jemandem zusammen, um etwas Gemeinsames zu erreichen. Er lässt etwas Eigenes los um des Gemeinsamen willen. Er sucht das Lebensdienliche. Geistlich entspricht der Kompromiss dem, was wir ,Menschwerdung' nannten. Es ist das Muster des Weges Jesu, der nach einem Christuslied in der Bibel so aussieht: ,Göttlich war er wie Gott. Aber er hielt sein Vorrecht nicht fest, Gott gleich zu sein. Er legte es ab, nahm die Gestalt eines Knechtes an und wurde ein Mensch unter Menschen. Tief stieg er hinab bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz.' (Philipperbrief 2,6-8) Christus wurde Mensch, das heißt, er wurde missverständlich." (S. 428) Wir wissen, dass viele Menschen auf diesen Kompromiss Gottes nicht eingingen. Nur einige glaubten an Jesus, nur einige wurden seine Nachfolger, nur einige setzten sich an den (Abendmahls-)Tisch mit ihm. Die Mächtigen und die Masse machten kompromisslos kurzen Prozess mit ihm: Sie durchkreuzten seine Liebe am Karfreitag. Die Liebe Gottes konnten sie damit aber nicht zerstören. Seit Ostern glauben die Christen: Die Liebe Gottes gilt uns allen in unserer Ich-Bezogenheit und unserer Schwierigkeit, Kompromisse zu finden. So können Christen von Gott lernen, mutig und liebevoll Kompromisse einzugehen, das heißt "etwas Eigenes loszulassen um des Gemeinsamen willen, für das Lebensdienliche" (Zink). Das Wort Kompromiss verliert damit seinen negativen Beigeschmack, als ob er immer nur eine halbe Sache sei. Im Gegenteil: Aufeinanderzuzugehen und darin das Gute zu suchen ist immer besser, als diktatorisch die eigene Meinung durchzusetzen. Sogar der allmächtige Gott und Schöpfer des Universums gibt uns eine Lehrstunde in Sachen "Kompromiss" . Dieser Gedanke vom kompromissbereiten Gott könnte auch dem Gespräch unter den Religionen gute Impulse geben. Ulrich Katzenberger, Wittlich

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