Nach dem "Enkeltrick" sofort verhaftet

44 000 Euro hatte eine 77-jährige Frau für ihr angeblich in Not geratenes Patenkind am 19. Februar 2010 einer unbekannten Abholerin übergeben. Die Betrügerin konnte allerdings gefasst werden. Vor dem Schöffengericht Idar-Oberstein läuft nun der Prozess gegen sie.

Idar-Oberstein. (ed) "Ich bin sonst immer sehr, sehr vorsichtig bei Telefonanrufen", beteuerte eine 77-jährige Idar-Obersteinerin im Prozess vor dem Schöffengericht Idar-Oberstein, den Amtsrichter Johannes Pfeifer leitet. Am 19. Februar 2010 war es die alte Dame leider nicht. 44 000 Euro machte sie in Windeseile flüssig, weil sich ein Telefonanrufer als ihr Patenkind ausgab, das in Not sei und dringend Geld brauche.

Auf den Einwand, sie kenne die Stimme des Anrufers nicht, wurde ihr gesagt, das sei wegen "einer Erkältung". Das "Patenkind" rief in kurzen Abständen mehrmals an, drängte zur Eile, schlug der Frau vor, mit dem Taxi zur Bank zu fahren, redete immer nur kurz, ließ keine Rückfragen zu. In der Bank wehrte die in Angst und Panik geratene Rentnerin alle misstrauischen Fragen wegen der hohen Geldsumme ab.

Wieder zu Hause, kam der erneute Anruf: "Ich kann das Geld nicht selbst abholen. Ich schicke dir meine Sekretärin Frau Rossi." Und die stand wenige Minuten später vor der Haustür, nahm den Umschlag mit 88 500-Euro-Scheinen in Empfang und verschwand, ohne mehr als drei Worte gesprochen zu haben. Doch "Frau Rossi" hatte Pech. Auf Grund eines von der Augsburger Polizei kurz zuvor eingegangenen Hinweises konnte die Idar-Obersteiner Polizei sie wenige Meter vom Haus der Rentnerin entfernt festnehmen. Diesmal hatte der "Enkeltrick" versagt.

Konspirative Tätergruppen



Die alte Frau, eine ehemalige Lehrerin, bekam ihr Geld zurück. Die Täterin kam in Untersuchungshaft und muss sich nun vor dem hiesigen Schöffengericht wegen "gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs" verantworten.

Vier Jahre Gefängnis fordert Staatsanwalt Dr. Claus Nils Leimbrock von der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach, denn der angeklagten, 27 Jahre alten staatenlosen Frau aus Ludwigshafen, die drei Kinder hat und - wie auch ihr Mann - von Sozialhilfe lebt, werden weitere "Geldabholungen" in K arlsruhe, Ettlingen und Rheinstetten vorgeworfen.

"Es handelt sich bei diesen "Enkeltrick"-Betrügern um konspirative Tätergruppen, deren Drahtzieher die Telefonanrufe von Polen aus bei alten Leuten und die prompte Geldabholung hochprofessionell steuern", sagt die Staatsanwaltschaft.

Verteidiger Alexander Klein aus Karlsruhe hingegen zweifelt den Verdacht von "Frau Rossis" Mehrfachtäterschaft an. Weitere Beweisanträge laufen.

Der Prozess wird mit einem vorläufig dritten Verhandlungstag am 27. August fortgesetzt. Erleichtert ist bisher nur die Rentnerin: "Ich hoffe, nun schlauer geworden zu sein."

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