Risiko, Rausch und Gewalt

Wittlich · Was hat der Alkoholkonsum mit dem Geschlecht zu tun? Wie wirkt sich die Sucht auf Moralvorstellungen aus? Warum sind Kinder suchtkranker Eltern selbst erhöht suchtgefährdet. Mit diesen Fragen hat sich die Fachtagung "Drogenhilfe im ländlichen Raum" beschäftigt.

 Referent Heino Stöver sieht Alkoholkonsum als Bestandteil männlicher Risikobereitschaft. Foto: privat

Referent Heino Stöver sieht Alkoholkonsum als Bestandteil männlicher Risikobereitschaft. Foto: privat

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Wittlich. 150 Fachleute und weitere Interessierte aus Rheinland-Pfalz, den angrenzenden Bundesländern, Luxemburg und den Niederlanden haben an der Fachtagung "Drogenhilfe im ländlichen Raum" in der Synagoge in Wittlich teilgenommen. Die Veranstaltung wurde von der Suchtberatung des Caritasverbandes Mosel-Eifel-Hunsrück in Wittlich organisiert und von der Stiftung der Stadt Wittlich, der Landeszentrale für Gesundheitsförderung Mainz und der AOK unterstützt.
Heino Stöver von der Fachhochschule Frankfurt am Main hat in seinem Vortrag über den Zusammenhang von Männlichkeit, Rausch und Risikobereitschaft gesprochen. Männer seien vielfältigen, sich zum Teil widersprechenden Erwartungen im beruflichen und privaten Bereich ausgesetzt und spüren, dass bisherige genderbezogene Verhaltensweisen nicht mehr zu zufriedenstellenden Lösungen für den Mann selbst und sein Umfeld führen, sagt er.
Alkoholkonsum sei ein Teil des männlichen Risikoverhaltens und Männer seien generell stärker bereit Risiken zu tragen als Frauen. Männer trinken dreimal soviel Alkohol wie Frauen und leben weitaus seltener abstinent. Sie suchen aber viel seltener einen Arzt auf, haben laut Stöver einen "unerschütterlichen Glauben in ihre Selbstheilungskräfte und denken, was von allein kommt, geht auch von allein wieder".
Die Diplom-Pädagogin Nina Roth referierte zum Thema Sucht und Elternschaft und berichtete von Untersuchungen, die belegen, dass etwa ein Drittel der Kinder suchtkranker Eltern selbst eine Abhängigkeitserkrankung entwickele und ein Drittel der Kinder psychische Störungen wie Ängste, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen zeige, aber auch ein Drittel keine relevanten Probleme entwickele oder psychisch vollkommen gesund und stabil bleibe. Suchtkranke Eltern wollten wie alle Eltern gute Eltern sein, doch die ohnehin hohen Anforderungen des Familienalltags seien mit der Suchterkrankung eines Elternteils oft noch mühsamer zu erfüllen. Für das Hilfesystem sei es wichtig zu beurteilen, ob die Eltern trotz Suchterkrankung die Fähigkeit besitzen, der kindlichen Entwicklung und den Bedürfnissen des Kindes vor den eigenen Bedürfnissen Vorrang zu geben.
Der Psychiater Herbert Lenhart stellte in seinem Vortrag "Sucht und Gewalt" dar, dass eine Suchtmittelabhängigkeit wie die Mutterbindung tiefgreifend und emotional nicht zu lösen sei. "Wer die Bindung gegen den Willen des Süchtigen angreift, begibt sich in die Gefahr durch ihn als Aggressor wahrgenommen zu werden und wird bekämpft. Sucht verändert den Menschen auf allen Ebenen der Persönlichkeit und damit auch seine moralischen Überzeugungen. So entsteht eine suchtmittelspezifische "neue Moral", die das (aggressive) Handeln des Abhängigen vor ihm selbst stets als notwendig rechtfertigt".
Bereichert wurde die Veranstaltung durch das Improvisationstheater "sponTat" aus Trier, das kreativ, originell und temporeich die Zurufe des Publikums darstellerisch spontan und vielseitig auf der Bühne umsetzte und die Teilnehmer trotz ernster Themen herzhaft lachen ließ. red

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