Schöne neue Weinwelt

Von dem berühmten amerikanischen Schriftsteller Mark Twain stammt der Satz: "Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen." Eine witzige und gleichzeitig geistreiche Formulierung.

Wer weiß schon, was in zehn, 20 oder gar 30 Jahren ist? Hätte im Jahr 1970 jemand geahnt, dass man wenige Jahrzehnte später mit einem klitzekleinen Gerät am Ohr mit jedem und an jedem Ort kommunizieren kann?

Und der Weinbau? Im Jahr 2010 fahren Vollernter sogar in den Steillagen und bestellen Weinkunden mit einer Fingerbewegung online beim Winzer ihren Wein. Und in 20 oder 30 Jahren? Man kann ja mal spekulieren. Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sind die größten deutschen Wein-Anbaugebiete. Die angebauten Rebsorten heißen Gf-Gen-44-68 und Fr-chromos 993-87. Sie sind gentechnisch verändert, bringen Rekorderträge und Auslesequalitäten. Im Keller gibt es nur noch eine Maschine. Vorne läuft der Most rein, hinten kommt der fertige Wein raus. Und die Reben an den Mosel-Steilhängen? Ja, einige wenige gibt es noch. Sie werden als touristische Attraktionen vermarktet. "So schwer mussten die Menschen damals schuften", steht auf einem Schild.

Die riesigen Weinbergsplantagen im Norden Deutschlands, in Polen, Russland und China sind in den Händen von wenigen Lebensmittelkonzernen. Einmal im Jahr schickt der Multikonzern Weinchemtec seine besten Techniker und Chemiker zur Belohnung an die Mosel. Vor der Steillage mit dem Schild hält der Chef jedes Mal eine kleine Ansprache, die mit den Worten endet: "Seht mal, wie gut ihr es doch habt." Schöne neue Weinwelt!

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