Sonntags einkaufen? Ja, aber ...

... nur noch bei großen Festen oder Märkten. Diese verschärfte Regel wollen Behörden in der Region jetzt durchsetzen. Gewerkschaften fühlen sich bestätigt, Einzelhändler benachteiligt.4000 Menschen trotzten im vergangenen Jahr dem Schnee, schlenderten über den Morbacher Frühling und kauften ein.

Der verkaufsoffene Sonntag hat in Morbach (Kreis Bernkastel-Wittlich) Tradition. Das könnte sich im kommenden Jahr ändern. Ladenbetreiber fürchten, dass ihre Geschäfte dann dichtbleiben müssen. Geht es nach dem Ladenöffnungsgesetz in Rheinland-Pfalz, darf jede Gemeinde zwar bis zu vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr organisieren – doch die Sache ist mit einem Haken verbunden. Diese müssen an ein Ereignis gebunden sein wie an Sportwettkämpfe, Gemeindejubiläen oder einen Markt. So eng legt das Arbeitsministerium neuerdings unter Berufung auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem November 2015 das bestehende Recht aus. Die Kontrolle der verschärften Regeln liegt bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier, die dazu bereits ein Schreiben an die Stadtverwaltungen in ganz Rheinland-Pfalz weitergeleitet hat. Manche Gemeinde und Einzelhändler in der Region sehen nun einige verkaufsoffene Sonntage in Gefahr. Zumal der hessische Verwaltungsgerichtshof im April 2015 obendrauf urteilte, die mit dem verkaufsoffenen Sonntag verknüpfte Veranstaltung müsse für sich genommen interessant genug sein, um einen „beträchtlichen Besucherstrom anzuziehen“ und sogar mehr Gäste anlocken als die geöffneten Läden. Georg Kern, Präsident des Einzelhandelsverbands der Region Trier, kritisiert die Regeln und hinterfragt, wie eine Kommune das nachweisen soll. Er spricht sich dafür aus, dass jede Gemeinde vier feste verkaufsoffene Sonntage anbieten kann – ohne Anlass. Ähnlich sieht es die Industrie- und Handelskammer Trier, für die Matthias Schmitt sagt: „Kleine Orte können sich zeigen, kleine Geschäfte sich vom Online-Handel abgrenzen.“Gewerkschaften und Kirchen sehen hingegen in Sonntagsarbeit Nachteile für Mitarbeiter. Während Kern anmerkt, viele wollten sonntags arbeiten, weil es dann Zuschläge gebe, widerspricht da Dennis Dacke von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. „Wer nicht durch Tarifverträge gebunden ist, kriegt deutlich geringere Zuschläge“, sagt der Rheinland-Pfälzer. Erst neulich habe er gar den Fall erlebt, dass einer Verkäuferin der Sonntagsdienst mit einem 15-Euro-Gutschein für einen Online-Versandhandel vergolten worden sei. „Da fließt dann kein Cent in die Sozial- und Rentenversicherung“, kritisiert Dacke, der strengere Auflagen als „Fortschritt“ bezeichnet. Ähnlich sieht es das Bistum Trier. Sonntag sei als Tag der Ruhe nicht wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen. Kern prangert dagegen ungerechte Behandlung in Rheinland-Pfalz an. Ihn stört, dass beispielsweise der Outlet-Store in Zweibrücken zwölf verkaufsoffene Sonntage im Jahr mehr anbieten könne. „Dort fahren Menschen aus der Region hin, während sich hier die Gemeinden strecken müssen.“ Das Arbeitsministerium verweist dagegen auf einen gültigen Sondertatbestand, der schon seit 2007 für das nähere Einzugsgebiet des Flugplatzes Zweibrücken und die Ferienzeit gelte. PRO - von Forian SchlechtEs ist nicht nur Geld, das zähltShoppen am Sonntag? Das wird künftig deutlich schwerer. Das Land stellt das mit einem Schreiben an die rheinland-pfälzischen Kommunen klar – und fährt mit der Linie ziemlich gut. Zum einen hält es sich an rechtliche Urteile von Verwaltungsgerichten bis hoch zur Bundesebene, die in mehreren Verfahren geprüft haben, wann der Sonntagsschutz gewahrt bleibt, – und die Verstöße streng ahnden. Wer das ignoriert, kann ein blaues Wunder erleben – so wie in dieser Woche die Stadt Essen, der ein Gericht 28 verkaufsoffene Sonntage untersagte. Zum anderen ist es nicht nur das Geld, das zählt. In einer Zeit, in der viele Geschäfte ohnehin an den Arbeitsmarkt angepasst sind und längere Öffnungszeiten anbieten, sehnen sich viele Verkäufer einem freien Sonntag entgegen, ohne Trubel. Den Gemeinden muss das übrigens nicht schaden. Wer gewitzt ist, setzt ohnehin besser auf kreative Märkte und schöne Feste. Das bringt kleine Städte wirklich ins Gespräch – und lockt Familien zu einem viel größeren Abenteuer als einer Shoppingtour.?Kontra - von Hans-Peter LinzEs geht auf Kosten der KleinenDie nun schärfere Auslegung des Ladenöffnungsgesetzes schadet den Kommunen im ländlichen Raum. Warum? Größere Städte haben es leichter, die höheren Auflagen zu erfüllen. Je mehr Einwohner, desto mehr Organisationen, desto mehr Feste und Anlässe für einen verkaufsoffenen Sonntag. Selbst der traditionelle Mantelsonntag ist in Trier durch die zeitgleiche und ebenso traditionelle Allerheiligenkirmes veranstaltungsmäßig abgesichert. Aber wie sieht es auf dem Land aus? In kleineren Gemeinden wird es zunehmend schwieriger werden, verkaufsoffene Sonntage anzubieten, weil sich nicht genug Vereine oder Gruppierungen finden, die etwas auf die Beine stellen. Deshalb wird es in Morbach in Zukunft nur noch zwei statt vier verkaufsoffene Sonntage geben. Das geht also auf Kosten der kleinen Betriebe auf dem Land, schwächt damit die Infrastruktur und die Attraktivität der Dörfer. Dieses Gesetz ausgerechnet in einem ländlich strukturierten Bundesland wie Rheinland-Pfalz zu verschärfen, ist daher geradezu absurd.

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