Tradition, gutes Essen und ein bisschen Heimweh

Wittlich · In Wittlich gibt es eigentlich nur zwei Jahreszeiten: Vor der Kirmes und nach der Kirmes. Und nur selten im Jahr sind in der Säubrennerstadt so viele auswärtige Autokennzeichen zu sehen wie an den vier Festtagen. Der TV hat sich umgehört und gefragt, warum die Menschen zur Säubrennerkirmes kommen.

Wittlich. Für die einen ist sie schlichtweg ein Muss in jedem Jahr. Und dafür werden mitunter auch weite Wege in Kauf genommen. Das gilt vor allem für die Fünfzigjährigen. Nach alter Tradition treffen sich diejenigen, die im kommenden Jahr 50 werden oder es schon sind und in Wittlich eingeschult wurden bei der Kirmes. Egal, wohin das Leben sie verschlagen hat, ob Arbeiter oder Anwalt, zur Kirmes wird gemeinsam gefeiert. In diesem Jahr hat die muntere Truppe das Motto: Herzig, lustig, fuffzig. Zu erkennen sind die Mitglieder an dem Smileybutton und einem Smileyluftballon, den sie gemeinsam nach dem Festzug fliegen lassen. Dabei ist auch Ingrid Grundheber, die mittlerweile in Leverkusen wohnt, aber nach eigenem Bekunden ohnehin noch keine Kirmes ausgelassen hat. Und wer einmal mit den Fünfzigjährigen gefeiert hat, der trifft sich auch in den Jahren danach immer wieder in Wittlich. Wie Petra Blum aus Gelsenkirchen und Ursula Hellebrand aus Frankfurt, die sich freuen, den Kontakt zu früheren Schulkameraden aufrechterhalten zu können.
Viele mag auch der legendäre Schweinebraten zur Kirmes locken. Dicht umringt ist der Stand auf dem Marktplatz. Auskunft geben mag hier niemand, mit vollem Mund spricht es sich nicht gut. Bis zum frühen Sonntagabend wanderten 75 Säue in die Mägen der Besucher.
Ein amerikanisches Paar aus Spangdahlem hat seinen Schweinebraten schon verspeist. "The food and the music - das Essen und die Musik", sagt Conor McCarthy und erzählt, dass sie schon im zweiten Jahr zur Kirmes kommen. Oben auf dem Rummelplatz ist nicht der Ort für lange Gespräche. Es ist laut, ein Fahrgeschäft übertönt das nächste. Lautsprecherdurchsagen und das vergnügte Gekreische der Menschen, wenn sie am Turm nach oben katapultiert werden und dann praktisch im freien Fall wieder nach unten sausen oder auf anderen Fahrgeschäften hin- und hergewirbelt werden. Hier wird gefeiert und weniger geredet. Aber wie unten in der Stadt geht auch hier der Spaß bis in die frühen Morgenstunden.
Extra

Die Säubrennertradition gefällt nicht allen Menschen. Schon in den vergangenen Jahren gab es Proteste von Tierschutzverbänden gegen den Brauch, Schweine am Spieß auszustellen und zu verspeisen. Auch in diesem Jahr haben sich Tierschützer der Tierversuchsgegener Saar gemeldet in Form von einem Flyer. Harmlos aufgemacht mit einem Motiv von Tony Munzlinger, bei dem Wittlichs Wahrzeichen und ein stilisiertes Schwein zu sehen sind. Der Schriftzug Wittlich mit Herzchen über dem i und der Begriff Säubrennerkirmes lässt vermuten, dass es sich um ein Programm zum Fest handelt. Wenn man den Flyer aufschlägt, schaut man dann aber auf einen blutigen Schweinekopf. Die Wortwahl ist nicht zimperlich. Die Säubrennerkirmes wird verurteilt als archaisch, rückständig und rücksichtslos. Auch der Schlachthof Simon, der in den vergangenen Jahr schon Ziel von Protesten war, wird erneut angegriffen. Als Alternative zum Fleisch weist der Flyer auf ein Angebot im Alten Bahnhof hin, wo es am Samstag vegane Paella und Salat gibt. noj

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