Von der Rennstrecke zur Flaniermeile

WITTLICH. Wenn Bagger Schaufenster zerdeppern, Kunden in Löchern versinken und Boutiquen Staub-Aktionen anbieten, dann wird gebaut. Seit rund viereinhalb Monaten ist die Karrstraße eine Großbaustelle. Einige Geschäftsleute klagen über Einbußen, andere berichten Anekdoten aus der Bauzeit, und alle freuen sich über die attraktive Straßengestaltung.

Der Termin wird gehalten: "Bis zur Säubrenner Kirmes ist die Karrstraße wieder ganz geöffnet", sagt Stefan Kaspari vom zuständigen Ingenieurbüro John und Partner. Derzeit werden Natur-Bordsteine aus Granit gesetzt und die Kanalleitungen inspiziert. Mitte August steht dann das Aufbringen der Asphaltdecke an. Derzeit ist die Straße bis auf den Schloßberg wieder befahrbar. Über Wochen war je nach Bauphase mal dieser mal jener Abschnitt für den Verkehr gesperrt, vor den Läden fehlten die Bürgersteige, teils ging's nur über Bretterstege in die Geschäfte. "Ich musste eine Kundin, die bis auf Brusthöhe in der aufgegrabenen Straße versunken war, in den Laden reinziehen. Da haben wir hinterher beide herzlich gelacht", sagt Margret Könen von Elektro Könen. Die Geschäftsfrau nimmt trotz Umsatzeinbußen das Leben auf der Großbaustelle mit Humor: "Ich habe immer zu unseren Kunden gesagt, wenn das hier alles fertig ist, ist die Straße so schön, da können wir drauf tanzen." Könens Fazit: "Man lernt den Zustand schätzen, wie er normalerweise ist. Jetzt fehlt nur noch, dass die Stadtverwaltung hierher zieht." Ein Wunsch, den viele teilen. "Das würde die Innenstadt sehr beleben", finden auch Ralf und Margarete Derix vom Juweliergeschäft Derix. Sie schätzen, dass die Bürgersteige nun breiter sind. Voll des Lobes sind sie für die ausführende Baufirma: "Die Arbeiter waren sehr zuvorkommend, sorgfältig und schnell." Die hätten zum Beispiel Teppiche und Bretter vor den Ladeneingang gelegt, damit die Kunden sie auch erreichen, wenn der Bürgersteig fehlt. Umsatzeinbußen bescherten die Bauarbeiten den Juwelieren nicht: "Wir haben viel Stammkundschaft. Teils kamen die aus Neugierde gerade am Anfang sogar häufiger vorbei." Trotz dieser positiven Erfahrungen sind die Derix' froh, dass ihr Dasein in einer Zwangs-Fußgängerzone beendet ist. "Wir können den Ärger in der Neustraße verstehen. Wir wären dafür, das dort wieder Autos fahren", sagen die Geschäftsleute. Anders sieht dies Galeristin Ursula Köhler: "Man kann die Karrstraße nicht mit der zentraler gelegenen Neustraße vergleichen." Sie klagt über Umsatzeinbußen und hätte sich den breiteren Bürgersteig lieber auf ihrer Geschäftsseite gewünscht. "Ich bin froh, wenn alles fertig ist. Das war teils schon sehr laut. Besonders wenn die Dampfwalze unterwegs war", sagt Köhler und ergänzt: "Als Fußgängerzone würde die Karrstraße auf gar keinen Fall funktionieren." Von Umsatzeinbußen waren vor allem die Geschäftsleute im oberen Bereich der Straße geplagt, da ihre Läden durch die Bauarbeiten mehr eingeschränkt waren als weiter unten. So berichtet auch Wilfried Meuren vom Frisörbedarf für Jedermann, dass deutlich weniger Kundschaft kam. Aber: "Optisch gesehen ist das sehr gelungen. Jetzt hat die Straße nicht mehr dieses Durchgangsverkehr-Image", sagt Meuren. Das findet auch Elisabeth Declercq von der St. Martin Apotheke: "Das war vorher eine richtige Rennstrecke. Vor allem an Wochenend-Abenden." Ihr Bauzeit-Erlebnis: Gleich am zweiten Tag hat ein Bagger ihr Schaufenster demoliert. "Die Firma hat den Schaden selbstverständlich ersetzt", erzählt die Apothekerin. Alles hat reibungslos funktioniert

Keine Probleme mit Umsatzeinbußen gab's im Änderungsatelier "Heiße Nadel", wo Stammkunden auch weite und beschwerliche Wege in Kauf nehmen. "Jetzt haben wir drei Parkplätze direkt vor der Tür, da waren wir erst skeptisch, aber jetzt finden wir es gut", sagt Mitinhaberin Mechthild Fritzen. Gut arrangiert mit den Bauarbeiten hat sich auch Boutique-Besitzerin Dorothea Jüttermann: "Wir haben im Mai eine Staub-Aktion gemacht, bei der es stark reduzierte Ware gab." Sie findet, dass die schön gestaltete Straße eine Bereicherung ist. Ihr Dank gilt der Stadtverwaltung, "weil alles reibungslos funktioniert hat".

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