Für die Hakenkreuzfahne gab's Schokolade

Walter Kremer, Alsdorf · Plötzlich hatten wir das Haus in Gransdorf voller deutscher Soldaten, aber von Krieg keine Spur. Die Soldaten waren wohl auf dem Rückzug, aber alles war noch ruhig und friedlich.

Hinter unserem Haus stand die Feldküche, aber es gab keinen Nachschub. Jeden Tag kochte Kurth leckere Grießmehlsuppe mit getrockneten Zwetschen drin.
So schnell, wie unsere Soldaten gekommen waren, verschwanden sie bald auch wieder. Eines Nachts wurden wir unsanft geweckt. Im Nachbarhaus schlug die erste Granate ein, begleitet von grausigem Donnern und klirrenden Fensterscheiben. Es gab etliche Verletzte, aber keine Toten. Wir mussten nun für ein paar Tage in den ungemütlichen Keller, bis der Spuk vorbei war.
Dann kamen die Amis. Es gab keinerlei Gegenwehr, denn unsere Soldaten waren ja längst über alle Berge. Wir blieben im Keller, während die Amis das Haus besetzten. Die im Schrank liegende Hakenkreuzfahne (in jedem Haus quasi Vorschrift) ließen sie mitgehen, dafür lagen an der Stelle aber zwei Tafeln Schokolade für uns.
Genauso friedlich wie vorher mit den deutschen Soldaten war es nun mit den Amis. Besonders scharf waren sie auf frische Eier. Sobald ein Huhn gackerte, gingen sie in den Hühnerstall und warteten geduldig, bis das Ei kam. Sie waren großzügig und schenkten uns Schokolade, Kaugummi und den Erwachsenen Zigaretten.
Bald war die Front bei uns passé, und wir hatten wieder Ausgang. In Schwarzenborn sind noch Amis, hieß es. Dort war eine Staffel Aufklärungsflugzeuge stationiert, die auch auf einer Wiese starten und landen konnten. Wir nahmen die begehrten Eier als Begrüßungsgeschenk mit, und unsere Rechnung ging auf: Man beschenkte uns mit reichlich Schokolade!
Walter Kremer, Alsdorf

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