Nachbarn hielten ihn für einen Studenten

Rheinland-Pfalz ist längst Tatort und Rekrutierungsraum für das Terrornetzwerk Al Kaida. Sicherheitsbehörden sind seit Jahren alarmiert, weil höchste Gefahr zuerst immer lautlos irgendwo in der Nachbarschaft tickt - wie jetzt in Montabaur.

Montabaur. Das Haus, in dem der verhaftete Hussam S. zuletzt wohnte, liegt in einem Nebensträßchen der Montabaurer Fußgängerzone, direkt gegenüber der katholischen Kirche. Auf den ersten Blick sieht es völlig unscheinbar aus, bei näherer Betrachtung fällt aber der schlechte Zustand ins Auge. Der Briefkasten ist aufgerissen. Es gibt offenbar nur eine Klingel, obwohl etliche Parteien im Haus wohnen. Die Tür zeigt Spuren von Vandalismus und lässt sich problemlos von jedem Passanten öffnen.

Mitarbeiter eines benachbarten Thai-Bistros kannten den jungen Syrer vom Sehen. Er sei ein eher unauffälliger Junge, meint der Inhaber des Lokals. Mitunter habe man Post für ihn angenommen. Meistens handelte es sich um Pakete mit Computerteilen. Hussam S. habe sich insgesamt gut mit Technik ausgekannt und auch den Bistro-Mitarbeitern ab und zu am PC geholfen. "Wir dachten, das ist ein ganz normaler Student." Der 24-Jährige sei stets mit dem Fahrrad gekommen. Sein Rad steht noch in Montabaur.

Sogar die spektakuläre Verhaftung des jungen Mannes am Sonntagmorgen haben einige Mitarbeiter des Bistros aus nächster Nähe erlebt. Sie schliefen zu dem Zeitpunkt in einer unteren Etage des Gebäudes. Schon vor 6 Uhr seien mindestens 20 schwer bewaffnete Polizisten ins Haus gestürmt. Lautstark forderten sie auch die übrigen Bewohner auf, sich auf den Boden zu legen. Vor dem Haus hielt ein Polizeibus mit Berliner Kennzeichen. Schon kurz darauf gab es Entwarnung. "Wir haben ihn gefunden. Sie können weiterschlafen", schallte es durchs Gebäude. Doch daran war nach der Aufregung nicht zu denken.

Der Fall des Syrers ist nicht der einzige in den vergangenen Jahren. Derzeit stehen Ömer Ö. und Sermet I. in Koblenz vor Gericht. Am 19. Juli wird das Urteil erwartet. Beide, die zuletzt in Sindelfingen gewohnt haben, sollen Geld sowie Kampfgeräte für die Al Kaida beschafft haben. Außerdem wird ihnen vorgeworfen, dass sie Kämpfer für den Dschihad ("Heiligen Krieg") rekrutieren wollten.

Deshalb hat sich der Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz um Islamwissenschaftler verstärkt. Ihr Fachwissen wird im Alltag der globalisierten Terrorgefahr immer wichtiger. Sie beobachten ständig die Lage im Netz, das sich längst zum virtuellen Trainingscamp entwickelt hat. Das Mainzer Frühwarnsystem gleicht Hinweise im Terrorabwehrzentrum ab, in dem Erkenntnisse aller Nachrichtendienste zusammenlaufen. Auch im Bonner Raum zeichnet sich seit Monaten eine wachsende Radikalisierung ab. Welche Spur jetzt nach Montabaur geführt hat, darüber schweigen die Sicherheitsbehörden aber noch. Extra Al Kaida: Das islamistische Terrornetzwerk Al Kaida wurde Mitte oder Ende der 1980er Jahre von Osama bin Laden gegründet und lebt nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes heute weitgehend von Spenden seiner weltweit verstreuten Anhänger. Es hatte sich zu den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA bekannt. (dpa)

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