Streik bei Amazon: Mitarbeiter in Koblenz kämpfen für einen Tarifvertrag

Koblenz · Die Amazon-Mitarbeiter haben ihren Streik auch auf die Niederlassung des US-Versandhändlers in Koblenz ausgeweitet. Es ist der insgesamt sechste Standort in Deutschland, an dem die Beschäftigten die Arbeit niederlegen. Die Gewerkschaft Verdi will den US-Versandhändler zur Aufnahme von Tarifverhandlungen bewegen. Doch der lehnt das ab.

Dienstag, 5 Uhr bei Amazon in Koblenz: Die Gewerkschaft Verdi informiert die Mitarbeiter, die zur Frühschicht kommen, über den anstehenden Arbeitskampf und fordert sie auf, sich zu beteiligen. Und Amazon? Amazon ruft die Polizei. "Es ist ungeheuerlich, dass es so dargestellt wird, als wäre der Streik illegal", sagt Hans Kroha, Landesfachbereichsleiter Handel bei Verdi, wenig später in der Rübenacher Schützenhalle.

Hier sind die Beschäftigten versammelt, die sich dem Streik anschließen: gut 100 in der Frühschicht, etwa ebenso viele in der Spätschicht. Am Mittwoch geht es weiter. Sie alle eint ein Ziel, das auch für die anderen Kollegen in den mittlerweile sechs von neun Amazon-Zentren gilt, die streiken: Sie wollen erreichen, dass das Unternehmen Verhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi aufnimmt, um einen Tarifvertrag abzuschließen.

"Denn es wird immer so dargestellt, als würde Amazon nach dem Tarif bezahlen, der für Logistikbranchen gilt, und wir wollten ,nur‘, dass der für den Handel angewandt wird", sagt Angela Bankert von Verdi im Gespräch mit der Rhein-Zeitung . Tatsache aber sei, dass Amazon überhaupt keinen Tarifvertrag habe und auch keinen wolle. "Nur in einem einzigen Punkt stimmen die Amazon-Arbeitsbedingungen und der Logistik-Tarifvertrag überein, nämlich in dem Grundlohn von 10,11 Euro für ungelernte Berufsanfänger." Alles andere aber, Arbeitszeiten, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Lohnsteigerungen, Probezeit und vieles mehr unterscheide sich gravierend vom Tarifvertrag. "Wenn man alles zusammenrechnet, sprechen wir von einem Unterschied von 8000 Euro im ersten Jahr", sagt Bankert. Vor allem die Tatsache, dass so viele nur befristete Verträge haben, macht den Mitarbeitern zu schaffen. Von 400 Befristeten bei knapp 1200 Festangestellten spricht Norbert Faltin, Vertrauensmann von Verdi bei Amazon Koblenz.

"Fast zwei Jahre lang war ich befristet bei Amazon", erzählt einer der Mitarbeiter am Rande der Streikveranstaltung. Und dann? "So", sagt er und holt mit einem Bein aus. Einen Tritt habe man ihm gegeben, ihn rausgeschmissen, sagt er in gebrochenem Deutsch. Vier Tage später haben sie ihn angerufen, er solle wieder anfangen. "Vier Tage!", sagt er immer wieder. "Aber nicht zu einem guten Preis, sondern zu dem wie Anfänger!" Das wollte er nicht mehr. Aber arbeiten will er. Bei einer anderen Bewerbung wird er abgelehnt, sein Deutsch sei zu schlecht, um in einem Laden zu arbeiten. Und noch während er sich um entsprechende Deutschkurse kümmert, kommt die Aufforderung von der Arbeitsagentur, sich bei Amazon zu bewerben. "Jetzt bin ich doch wieder hier. Bis Silvester." Dann läuft der Vertrag aus - oder doch nicht?

"Ihr streikt für euer gutes Recht", sagt vorn auf der Bühne der ehemalige Koblenzer Oberbürgermeister Eberhard Schulte-Wissermann. "Denn ein Tarifvertrag bringt euch Sicherheit." Genau die nämlich vermissen viele der Beschäftigten: "Wir können zu jedem Zeitpunkt in andere Bereiche versetzt werden", sagt eine Mitarbeiterin. Sie habe zum Beispiel beim Abladen der LKW mitarbeiten müssen, obwohl bekannt war, dass sie dazu körperlich eigentlich nicht in der Lage sei. Andere bekommen einen befristeten Vertrag nach dem anderen, erzählen die Kollegen. Warum einer fest angestellt werde, ein anderer nicht, sei völlig undurchsichtig.

Die meisten, die am Dienstag gestreikt haben, sind fest angestellt. Aber es sind auch einige dabei, die nur befristete Arbeitsverträge haben. "Wenn ich deshalb gehen muss, dann habe ich vielleicht wenigstens für meine Kollegen etwas miterreicht", sagt einer kämpferisch. Die anderen klopfen ihm auf die Schultern. Und sie sind nicht allein: Auch die Bundestagsabgeordnete Gaby Weber, Günther Salz von der Katholischen Arbeiterbewegung und Ferhat Cato, Vorsitzender des DGB Bendorf, überbringen Solidaritätsbekundungen. Am Mittwoch werden unter anderem die rheinland-pfälzische Arbeitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler und Oskar Lafontaine erwartet.

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