"Die Förderklasse tut der ganzen Schule gut"

Schüler mit besonderen Begabungen finden in Trier ein entsprechendes Lernumfeld: Die Schule für Hochbegabtenförderung/Internationale Schule am Auguste Viktoria-Gymnasium (AVG) in Trier besteht seit 2005. Der TV hat mit Schülern, Lehrern und Experten gesprochen.

 Das gesamte Auguste-Viktoria-Gymnasium profitiert von der Schule für Hochbegabtenförderung/Internationale Schule, die seit fünf Jahren integriert ist. In der Lernlandschaft können hochbegabte und Regelschüler lernen. TV-Foto: Katja Bernardy

Das gesamte Auguste-Viktoria-Gymnasium profitiert von der Schule für Hochbegabtenförderung/Internationale Schule, die seit fünf Jahren integriert ist. In der Lernlandschaft können hochbegabte und Regelschüler lernen. TV-Foto: Katja Bernardy

Trier. Der 15-jährige Lukas Rademacher ist hochbegabt und besucht die Kurse in der Jahrgangsstufe 11 am AVG. Die Sekundarstufe I hat er in fünf statt sechs Jahren durchlaufen. Die Straffung der Mittelstufe um ein Jahr gehört zum Konzept der Schule für Hochbegabtenförderung/Internationale Schule. "Es gibt einen speziellen Lehrplan. Komprimierter und schwieriger", sagt Schulleiter Bernhard Hügle. Mit Englisch und Latein ist Lukas gestartet.

Mehrsprachigkeit und Fremdsprachenlernen werden neben dem erweiterten mathematisch-naturwissenschaftlichen Lernbereich besonders gefördert. Der Unterricht ist oft projektorientiert, es gibt viele Gruppenarbeiten, die Schüler halten regelmäßig Vorträge. "Und sie haben mehr Gelegenheit zum Lernen, von 8 bis 16 Uhr", sagt Hügle.

"Die vergangenen Schuljahre waren sehr gut", resümiert Lukas. Auch die Integration, die an der Unesco-Projekt-Schule groß geschrieben wird, sei gelungen. Der hochbegabte Schüler fühlt sich gut aufgenommen in den Grund- und Leistungskursen. Seine Mitschülerin Caiwei Liu (15) aus Trier meint: "Wichtig ist, dass der Wille da ist, sich zu integrieren. Dann ist es kein Problem." Christoph Cherdron von der Schülervertretung sieht hingegen Verbesserungsbedarf: "Es klappt in der Oberstufe, aber Hochbegabte und Regelschüler sollten vor allem in der Mittelstufe mehr gemeinsam außerhalb des Unterrichts unternehmen."

Elfriede Mommenthal-Aymanns, Leiterin des Hochbegabtenzweigs, betont, dass sich die Schule in einem Prozess befinde. "Wir lernen stetig dazu." So gibt es nach fünf Jahren mehr Schnittstellen im Schulalltag als anfangs: Arbeitsgemeinschaften der Schule für Hochbegabtenförderung sind offen für Regelschüler. Der Religionsunterricht findet gemeinsam statt.

Auch die anfänglichen Bedenken der Lehrer, die alle aus dem "normalen" Schulalltag kommen, scheinen verflogen zu sein. Mathelehrer Volker Schmitt etwa gesteht, dass er anfänglich etwas Bauchweh hatte, in der Hochbegabtenklasse zu unterrichten. Doch nach zwei Wochen habe sich die Aufregung gelegt. "Nicht alle in einer Klasse sind auf dem gleichen Niveau." In seiner Klasse habe ein Drittel besondere mathematische Fähigkeiten, ein Drittel sei "normal" begabt, einen "Überflieger" gebe es. Die Kunst des Lehrens sei es, auf die einzelnen Bedürfnisse einzugehen.

Dem Fazit des Schulleiters stimmen alle Beteiligten zu: "Die Hochbegabtenklasse tut der ganzen Schule gut!" Zum einen erhalte das AVG seit 2005 mehr Lehrerstunden, auch der Anbau der Mehrzweckhalle und der Lernlandschaft sei dem Hochbegabtenzweig zu verdanken.

Die gesamte Schule wird vom Fachbereich Psychologie der Universität Trier und von den Schulpsychologen des Beratungs- und Kompetenzzentrums begleitet, dessen Träger das Christliche Jugenddorfwerk Deutschland ist und das von der Nikolaus-Koch-Stiftung auf zehn Jahre finanziert wird.Das Wichtigste sei, dass der Blick der Lehrer auf die einzelnen Schüler differenzierter geworden sei. "Die Hochbegabtenschule ist ein Motor für individuellere Förderung", sagt Mommenthal-Aymanns. "Was braucht das einzelne Kind?" Antworten auf diese Frage zu finden, sei der Leitgedanke sowohl in den Hochbegabten- als auch in den Regelklassen, betont Schulpsychologin Kerstin Sperber.

Extra

Unter hoher Begabung versteht man ein individuelles Potenzial für außergewöhnliche Leistungen in einem oder mehreren Bereichen. Dieses Potenzial wird aber nur dann in Leistung umgesetzt, wenn neben der intellektuellen Begabung auch andere Persönlichkeitsmerkmale wie hohe Motivation und günstige Umweltmerkmale vorhanden sind - etwa eine anregungsreiche, günstige Lernumgebung. Intellektuelle Hochbegabung liegt in der Regel vor, wenn in einem Intelligenztest ein IQ von mehr als 130 gemessen wird. Dies ist bei zwei Prozent der Bevölkerung der Fall. Es gibt auch Kinder, die trotz hohen Potenzials schlechte oder nur mittelmäßige Leistungen in der Schule erbringen. Mädchen werden weniger häufig als hochbegabt erkannt, weil sie sich oft anpassen, Jungen machen eher durch auffälliges Verhalten auf sich aufmerksam. Weitere Informationen auch zum Anmeldeverfahren und zu Informationsabenden gibt es im Internet unter www.AVG-Trier.de (kat)

Stimmen
Zum fünfjährigen Bestehen der Schule für Hochbegabtenförderung/Internationale Schule am Auguste-Viktoria-Gymnasium in Trier:

"Die Schule in Trier hat eine besonders erfolgreiche Entwicklung genommen. Ich gehe davon aus, dass es nach der zehnjährigen Versuchsphase weitergehen wird." Doris Ahnen, rheinland-pfälzische Bildungsministerin

"Das Geschenk der Hochbegabung kann zur Last werden, wenn es - ähnlich wie bei der Minderbegabung - in die soziale Isolation führt. Deshalb ist es gut, wie das AVG diese Schülerinnen und Schüler einerseits besonders fordert, sie andererseits in das Schulleben des Gymnasiums integriert und drittens diesen Prozess fachpsychologisch begleitet. Dies hat sich offenbar bewährt. Glückwunsch zu den gelungenen ersten fünf Jahren!" Angelika Birk, Schuldezernentin Trier

"Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Kinder genauso individuell gefördert werden wie bisher." Andrea Donalies, Mutter eines hochbegabten Kindes aus Trier

"Im Fach Experimentieren wünsche ich mir künftig noch mehr Versuche." Lena Schmitt (11), Schülerin

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