Endlich Klarheit

TRIER. Wenn - wie in einem anderen Bundesland geschehen - ein Kormoran zur Abschreckung gekreuzigt in einem Teich aufgestellt wird, ist das sicher keine repräsentative Reaktion von Anglern auf die überwinternden Raubvögel. Aber doch ein Beispiel der Wut. Eine europaweite Zählung hat Klarheit über die Kormoran-Populationen gegeben.

 Und noch einer: Guido Eberhard und Matthias Birkel zählen die Kormorane.Foto: Gabriela Böhm

Und noch einer: Guido Eberhard und Matthias Birkel zählen die Kormorane.Foto: Gabriela Böhm

Das Gelände "Hahnenwerth" beimTrierer Hafen kennen Gewässerwart Matthias Birkel undFischereiaufseher Guido Eberhardt wie ihre Wohnzimmer.Schließlich sind die beiden Angler seit Jahren täglich dort.Häufig sogar mehrfach, um Kormorane zu beobachten, zu vergrämenoder zu zählen. Wie am vergangenen Samstag. In einer europaweitenAktion haben Angler und Fischer ab 16 Uhr die bekanntenSchlafplätze der Kormorane aufgesucht, um sie nach Einbruch derDunkelheit zu zählen. Mit einem Nachtsichtgerät aus russischemArmeebestand, einem digitalen Camcorder, Fotoapparaten undFerngläsern sind Birkel und Eberhardt unterwegs - allesPrivatanschaffungen der engagierten Angler. Im Auftrag derArbeitsgemeinschaft der Freizeitfischereiverbände Rheinland-Pfalzsollen die Kormorane bei ihren Schlafplätzen gezählt werden.Dafür gibt es landeseinheitliche Zähl- und Erhebungsbogen.Landesweit objektive Daten sollen ermittelt werden. Die Diskussion ist zwischen Anglern, Fischern und Naturschützern kontrovers und wird zunehmend verhärtet. Wie soll man mit den unliebsamen Besuchern aus dem Norden fertig werden, denen die hiesige Reduktion der Fischbestände angelastet werden? Die Freigabe zum Abschuss der Kormorane - wie in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen, Bayern oder Mecklenburg-Vorpommern - fordert die Fischer-Union-West e.V.: "Wir können uns auf eine Summe von Kormoranen einigen, die das Gewässer noch verträgt", sagt der Vorsitzende des Landesfischereibeirates Georg Ohs. Durchaus anders sehen es Sportangler, denen der Tierschutz sowohl der Fische als auch der Vögel am Herzen liegt.

Durch Vergrämung mit Platzpatronen oder pyrotechnischer Ausrüstung durch die Angelvereine hofft Fischereiaufseher Eberhardt, die Vögel vom Moselufer zu vertreiben. Das St. Florians-Prinzip ist ihm bewusst. "Dann lassen die Vögel sich eben vorübergehend woanders zum Winterquartier nieder, wo sie nicht vergrämt werden", weiß er. Eberhardt befürwortet daher eine großflächige und kontinuierliche Vergrämung.

Patrick Jaskowski, Mitglied des Naturschutzbundes Trier (NaBu) e.V., spricht hingegen von einem "wunderbaren Sündenbock", den der Kormoran für Fischer und Angler darstelle. "Fehlende Laichmöglichkeiten, schlechte Gewässer-Strukturgüte, Kraftwerke, Hochwässer, zu viele Angelgenehmigungen - das sind die wahren Gründe für zurück gegangene Fischbestände." Die Freigabe zum Abschuss und Vergrämungen bringen seiner Ansicht nach nichts. "Die Lücke wird nächstes Jahr wieder gefüllt." Der NaBu spricht von einer rückläufigen Zahl der überwinternden Kormorane in den vergangenen Jahren.

Unterschiedliche Ansichten herrschen auch bei dem Fischverzehr der Kormorane vor. Die Angaben des täglichen Fischkonsums schwanken zwischen 224 Gramm, die der NaBu aus einer wissenschaftlichen Studie zitiert, und maximal 1000 Gramm, die ein Kormoran laut Eberhardt zumindest im Winter täglich benötige.

226 Kormorane zählen Birkel und Eberhard beim Hahnenwerth. In Schweich-Issel finden sie keinen einzigen. Um so sinnvoller ist die großflächige Zählung, um nicht nur punktuelle Kormoran-Populationen zu ermitteln. Ergebnis der Aktion bei eisigem Wind: Im Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirkes Trier und bei Zell werden 1420 Kormorane gezählt. Zum Vergleich: Im Winter 1993/1994 waren es 863.

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