Glaube im Alltag

Ich quäle mich. Kein klarer Gedanke kommt aufs Papier.

Glaube im Alltag. Schreibe ich über die bevorstehende Kreissynode, den deutlich wahrnehmbaren Rechtsruck in Europa, die Flüchtlingsfrage oder das Ende der Plastiktüte? Alles wichtige Themen. Der Alltag überrollt mich, aber der Abgabetermin rückt näher. Verzweifelt rufe ich eine Freundin an: "Mist - ich habe keinen Glauben im Alltag!" Am anderen Ende lacht jemand herzhaft befreiend. Es über-rumpelt mich so sehr, dass ich auch anfange zu lachen. Herz-haft laut. War ja auch blöd formuliert von mir. Keinen Glauben im Alltag. Nur: Manchmal fällt es schwer, sich auf nur einen Aspekt zu konzentrieren. Unser Lachen wandelt sich in Glucksen. Die Freundin meint: "Dir geht es wie Dostojewski." - "Ach, auch das noch? Oh je", - meine ich. "Ja", sagt sie, "von dem habe ich gerade ein Zitat gelesen. Der sagt: Der Himmel ist eine alltägliche und gar nicht komplizierte Angelegenheit; aber das Leben, das Leben ist nicht so einfach wie Kuchenessen." Wir erzählen uns, was uns gerade beschäftigt. Uns wird deutlich: Synoden sind wichtig für die gemeinsamen Wegentscheidungen; der rechtspopulistische Ruck bedrückt uns, auch das Feilschen um Menschen in der Flüchtlingsdebatte. Plötzlich werde ich während des Telefonates ruhiger. Ich bin mit meinen Sorgen ja nicht allein. "Der Austausch und die Diskussion tun gut. Danke", sage ich. "Ja", sagt die Freundin, "dann ist es wie im Psalm: Sei nun wieder zufrieden meine Seele. Wenn in der Not einer zuhört und mitträgt." Wir schweigen einen Moment. Wohltuende Stille. Dann glucksen wir wieder und sind uns sicher. "Unser Telefonat - das war des Kuchens Kern." Pfarrerin Vanessa Kluge, Ehrang, kluge.ehrang@ekkt.de

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