Keine Zeit zum Trübsalblasen

Sie haben ihren festen Platz im Trierer Amtsgericht. Seine Bilder stellt Helmut Russow (59) seit nunmehr zehn Jahren an seinem Arbeitsplatz aus. Sie sind jedoch nur ein Teil seiner Kunstwerke, denn der Justizbeamte gestaltet mit Holz und hat nach einer Krebsoperation das Krippenbauen für sich entdeckt.

 Helmut Russow betrachtet sein jüngstes Werk, auf dem er den Petrisberg und in der Mitte sein rot-blaues Eigenheim verewigt hat. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Helmut Russow betrachtet sein jüngstes Werk, auf dem er den Petrisberg und in der Mitte sein rot-blaues Eigenheim verewigt hat. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Trier-Petrisberg. Eine seiner Krippen stand unterm Weihnachtsbaum, orientalisch wirkte sie. "Eine Ruinenkrippe", erklärt Helmut Russow. Gebaut ist sie aus Styropor-Platten, die er mit Flexkleber bestrichen und angemalt hat. Im Schuppen hat er noch eine weitere traditionelle Heimatkrippe. Keine gleiche der anderen, erzählt der 59-Jährige. Erstmals habe er vor fünf Jahren auf Einladung seines Bekannten, des Ortvorstehers Erwin Berg, in Irsch ausgestellt. "Die Krippen sind alle weggegangen", erinnert er sich. Das habe ihn erstaunt, denn "ich baue nur mit Abfallmaterialien".

Diese entdeckt er meist zufällig, auch für seine Holzschnitzereien. "Das Ungeheuer habe ich im Garten gefunden", erzählt Russow und hält eine Holzplastik hoch. Verdreckt sei die Wurzel gewesen; er habe sie gesäubert und poliert, bis ein kleiner Drache entstand. Ein Holzstück mit Astloch hat er beim Holzhacken aufgespürt. Mit Drahtbürste und Öl bearbeitet, beherbergt es nun seine kleinste Krippe.

Angefangen hat Russow das Krippenbauen, als er nach einer Kehlkopfoperation rund ein Jahr "aus dem Verkehr gezogen" war. "Ich war froh, mich etwas ablenken zu können", erinnert er sich. Damals sei seine größte Sorge gewesen, nicht mehr reden zu können. Doch eine Stimmprothese ermöglicht ihm Gespräche. Und er spricht gerne über seine Hobbys: das Malen und Holzschnitzen, aus dem seine Liebe zum Krippenbau entsprang. Vorher nur in der Freizeit betrieben, hätten sie ihm vor allem während der langen Genesungsphase geholfen. Zum Trübsalblasen sei da keine Zeit geblieben. "Ich bin dann wieder arbeiten gegangen - das Beste, was ich machen konnte." Die Arbeitsstelle des Justizbeamten ist seit 40 Jahren das Trie rer Amtsgericht. Dort stellt er seit 1999 seine Gemälde aus, nachdem Familie und Freunde die ersten selbst gemalten Bildnisse als "gar nicht schlecht" beurteilten. "Überwiegend spachtele ich die Bilder; ich nehme nur selten einen Pinsel in die Hand", sagt der Autodidakt, der mit Öl- und Acrylfarben malt. Manchmal geben auch Materialien wie Sand zusätzliche Strukturen. "Mir liegt das Handwerkliche. Da kann ich mit Schwung loslegen." Die Motive sind vielfältig: Stillleben, Blumen, Menschen, Landschaften - abstrakt und farbenfroh.

Eines seiner neuesten Werke gibt erst auf den zweiten Blick und auf einige Meter Entfernung sein Geheimnis preis. Dann erkennt der Betrachter Wasser- und Fernsehturm und die kastigen Neubauten auf dem Petrisberg. Dort hat Russow vor eineinhalb Jahren gebaut, obwohl viele Bekannte ihm wegen seines Alters und seiner Krankheit abgeraten hätten. "Das Stadtklima bekommt mir nicht mehr", erzählt er, "hier ist die Luft gut."

Das Mehrgenerationenhaus in Holzständerwerk-Bauweise habe sein Schwager, Architekt und Künstler, geplant. "Für uns ist das hier wie Urlaub." Vor dem Haus steht eine seiner Skulpturen; "Zusammenhalt" hat er sie genannt. Denn das sei es gewesen, was ihm geholfen habe während der Krankheit. "Ohne Familie geht gar nichts", ist er sich sicher. Die Familie, das sind seine Frau Alwine, die beiden Kinder und die Schwiegermutter, die das blaue Haus bezogen hat, während die Russows im roten Teil wohnen. Beide hat der Künstler mitten auf seinem Gemälde verewigt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort