"Ich fühle mich nicht mehr Zuhause"

KALENBORN-SCHEUERN. Gehört Umweltfrevel in der Doppelgemeinde Kalenborn-Scheuern zum Alltag? Zwei Familien prangern den Umgang mit Naturschutz an. Das Fass zum Überlaufen brachte das radikale Abholzen einer 600 Meter langen Windschutzhecke. Rückendeckung bekommen die Familien von der Oberen Landespflegebehörde.

Der Flurname "An der langen Hecke" wird ad absurdum geführt. Die 50 Jahre alte Windschutzhecken am Ortsrand von Kalenborn in Richtung L 10 (Oberbettingen) wurde auf der gesamten Länge von 600 Metern radikal abgeholzt, im Fachjargon "auf den Stock gesetzt". "Ich fühle mich überhaupt nicht mehr zu Hause. Die Landschaft ist total verunstaltet", schimpft Anneliese Leuschen. Ehemann Heinz alarmierte, als fast die Hälfte der Hecken schon mit der Motorsäge bearbeitet waren, die Untere Landespflegebehörde bei der Kreisverwaltung Daun, die Obere Landespflegebehörde bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGD) in Koblenz sowie zu guter Letzt die Polizei. Leuschen: "Wir fühlten uns hilflos, weil die Arbeiten nicht eingestellt wurden." Auch Naturschützerin Margret Büchel kam nicht weiter. Sie sagt: "Jedes Argument wird totgeschlagen. Es ist keine vernünftige Diskussion möglich. Das hat der Rat beschlossen, und damit soll es für die Bürger erledigt sein." Am Werk waren Jagdvorsteher und Landwirt Lorenz Ehlen mit einem Gehilfen. Ehlen argumentiert: "Das war nötig, weil die landwirtschaftlichen Nutzfahrzeuge nicht mehr durchkamen. Der Weg war von der Hecke überwuchert, und deshalb wichen die schweren Maschinen zur Seite aus. So wurde der angrenzende Entwässerungsgraben komplett zugefahren."Der Bürgermeister hält die Maßnahme für sinnvoll

Die Arbeiten werden aus der Kasse der Jagdgenossenschaft bezahlt. Leuschen wettert: "Auf der einen Seite können sie nicht genug Jagdpacht kriegen, und auf der anderen Seite haben sie kein Gefühl für die Natur." Ortsbürgermeister Toni Kuhl gibt Jagdvorsteher Ehlen Recht: "Wir halten diese Maßnahme für sinnvoll. Außerdem haben wir nichts dagegen, wie sie ausgeführt wurde." Kuhl hat die Kreisverwaltung auf seiner Seite. Pressesprecher Heinz-Peter Hoffmann erklärt: "Bis Ende Februar dürfen Hecken ohne Genehmigungen abgeholzt werden. Das gilt auch für den Umfang." Axel Schmidt von der Oberen Landespflegebehörde relativiert: "Es gibt zwar keine rechtliche Handhabe einzugreifen, aber aus der Naturschutzperspektive ist die Insellösung das Beste und mittlerweile auch übliche Praxis." Dabei werden die Hecken abschnittweise auf Stock gesetzt und stehengelassen. Für eine 600 Meter lange Hecke würde SGD-Referent Schmidt einen Wechsel im 20 bis 30 Meter Turnus vorschlagen. So bleiben Lebensräume für Kleintiere und Vögel erhalten. Außerdem wird die Erosion, der Abtrag von Erde durch Wind, verringert. SGD-Naturschützer Schmidt will sein Telefonat mit Ortsbürgermei-ster Kuhl nicht als Rüffel für die Gemeinde werten. Er sagt: "Ich hoffe, dass die Situation dadurch etwas entschärft ist." Kuhl habe die Vorteile dieser Art der Pflege akzeptiert und versprochen, bei künftigen Heckenschnitten entsprechend zu verfahren. Die zwei aufgebrachten Familien Büchel und Leuschen sind noch nicht besänftigt. Unisono prangern sie die Gemeinde an: "Der radikale Heckenschnitt ist nur eines von mehreren Negativ-Beispielen in Sachen Naturschutz." Als Trauerspiel bezeichnen sie die Aktionen am alten Löschteich. Drei Mal sei dort das Wasser unnötigerweise gewechselt worden. "Vorher war er bildschön, ein Paradies für Enten und Schwäne. Er wurde liebevoll von einem älteren Dorfbewohner gepflegt. Jetzt ist er eine Kloake", erklärt Anneliese Leuschen. Ortsbürgermeister Kuhl hält dagegen: "Bis Ende 2005 war das Sache der Verbandsgemeinde, und das wurde in Absprache mit der örtlichen Feuerwehr gemacht." Margret Büchel hat in einer anderen Angelegenheit bereits Umweltministerin Margit Conrad eingeschaltet. Vor ihrem Haus sollen 40 Jahre alte Fichten gefällt werden, weil der Schattenwurf angeblich die Straße schädige. Dabei ist die Gemeindestraße sichtlich auch auf weiten Strecken vor und hinter den Fichten marode. Fichten sind keine Naturdenkmäler

Das Ministerium hat die Klärung in die Hände der Kreisverwaltung Daun gelegt. Pressesprecher Hoffmann: "Die Eingabe wird zwar noch konkreter geprüft, aber schon heute ist klar, dass die Fichten keine Naturdenkmäler sind. Das Abholzen steht im Ermessen des Eigentümers und kann sogar als Pflegemaßnahme sinnvoll sein." Ortsbürgermeister Kuhl gibt den schlechten Zustand der gesamten Straße zu, meint aber: "Die Fichten sind Gemeinde-Eigentum und es kann nicht sein, dass Anlieger dabei das letzte Wort haben." Büchel will keinen Machtkampf und schlägt einen Beschnitt der Fichten vor. "Dafür sind sie zu hoch", schmettert Kuhl den Kompromiss kategorisch ab. Naturschützerin Büchel gibt nicht auf: "Ich werde weiterhin versuchen, Missstände zu verhindern."

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