Deutschland ist stark

Führende Wirtschaftsforscher sind der Ansicht, dass die Finanzmarktkrise nicht zu einer Rezession in Deutschland führen wird. Die Unternehmen seien technologisch gut aufgestellt und hätten viel Eigenkapital. Auch der Arbeitsmarkt reagiere nicht so empfindlich auf Konjunktur-Rückgänge wie früher. Eine Delle sei allerdings unvermeidlich.

Berlin. Das Institut für Weltwirtschaft (IW) prognostizierte gestern ein Wachstum von nur noch 0,6 Prozent im nächsten Jahr. Das sei "Stagnation".

IW-Chef Michael Hüther warnte vor Vergleichen mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 und vor Panikmache. Staat und Banken reagierten viel klüger als damals auf die Verwerfungen an den Finanzmärkten. Er sehe die Banken-Krise bereits "im Schlussakt", allerdings nur, wenn das amerikanische Rettungspaket auch beschlossen werde.

Gesundheitsfonds soll gestoppt werden



Die deutsche Wirtschaft bleibe nicht ungeschoren. Insbesondere werde der Export im nächsten Jahr nur noch um 1,5 Prozent wachsen, gegenüber 4,2 Prozent in diesem Jahr. Er falle als Wachstumsmotor aus. "Aber keinesfalls droht der freie Fall in die Rezession". Nächstes Jahr werde es beim Konsum sogar wieder ein leichtes Plus von 0,7 Prozent geben, weil sich die Rohstoff- und Energiemärkte beruhigten und die Inflation nachlasse. In Deutschland gebe es auch keinerlei Anzeichen für eine Kreditklemme; die Unternehmen bekämen nach wie vor von den Banken Geld für Investitionen.

Hüther riet dringend von staatlichen Konjunkturprogrammen ab und warnte vor hohen Tarifabschlüssen. Auch sei der Gesundheitsfonds wegen der damit verbundenen Erhöhung der Lohn-Nebenkosten falsch und solle noch in letzter Minute gestoppt werden, forderte er.

Am Arbeitsmarkt wird es im nächsten Jahr laut der Prognose wieder schlechter werden - aber nur leicht. Die Arbeitslosigkeit wird demnach im Durchschnitt auf 3,3 Millionen steigen, nach 3,2 Millionen im Jahr 2008.

Laut Hüther reagiert der Arbeitsmarkt heute anders als früher auf Konjunktureinbrüche. Wegen des Fachkräftemangels hielten Unternehmen an qualifizierten Mitarbeitern auch in der Krise länger fest als früher. Außerdem wirkten die Arbeitsmarkt-Reformen. Allerdings würden im nächsten Jahr die Jobs von Unqualifizierten wieder gefährdet, insbesondere wenn der Mindestlohn komme.

Export: Stabilisierung auf hohem Niveau



Auch der Hamburger Ökonom Thomas Straubhaar vom Weltwirtschaftsinstitut sagte, für Deutschland bestehe kein Grund zur Panik. "Die Finanzmarktkrise hat die deutsche Wirtschaft im besten aller schlechten Momente getroffen. Der seit 2006 andauernde konjunkturelle Aufschwung hat zusammen mit den positiven Langzeitwirkungen der Agenda 2010 zu einem starken Beschäftigungsaufbau geführt", erklärte Straubhaar gegenüber "Spiegelonline". Die deutsche Technologie-Führerschaft in vielen Bereichen bleibe erhalten, so dass sich der Export "auf hohem Niveau" stabilisieren werde. Straubhaar wie Hüther rechnen mit einer kürzeren Wachstumsdelle. Hüther: "In der zweiten Hälfte 2009 dürfte eine sachte Erholung eintreten."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort