Sie ist aber nicht mehr als eine journalistische Erfindung, entstanden vor allem durch die Praxis vieler Medien, akademisch ausgebildete Berufsanfänger als Praktikanten einzustellen. Übertragen auf die gesamte Wirtschaft lässt sich das nicht. Mit Praktikantenstellen kann man den Fachkräftenachwuchs nicht sichern. Auch die Legende vom "Freizeitweltmeister Deutschland" hält sich hartnäckig. Davon kann schon lange keine Rede mehr sein. Die 35-Stunden-Woche ist ein Auslaufmodell. Der Trend geht zur 45-Stunden-Woche. Die tarifliche beziehungsweise betriebsübliche Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten lag im ersten Quartal bei 38,23 Stunden. Das ist nicht die ganze Wahrheit. Die krisenbedingte Kurzarbeit schrumpft von Monat zu Monat, der starke Aufschwung lässt die Guthaben auf den Arbeitszeitkonten wachsen, Überstunden nehmen zu. Die tatsächliche Arbeitszeit liegt aufgrund bezahlter oder unbezahlter Überstunden weit höher als die tarifliche. Der Sachverständigenrat beziffert sie für vollzeitbeschäftigte Männer im Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2009 mit 44 Stunden. Die Diskrepanz ist den Gewerkschaften ein Dorn im Auge, haben sie doch jahrzehntelang für mehr Arbeit statt Mehrarbeit, das heißt statt Überstunden, geworben. Im XXL-Aufschwung ist aber nicht mehr Arbeitslosigkeit das Hauptproblem des Arbeitsmarktes, sondern der Fachkräftemangel. Über Mehrarbeit lässt er sich ein wenig entschärfen. Die Arbeitszeitverlängerung und die damit verbundene Steigerung der Arbeitsproduktivität je Beschäftigten stärkt die Wettbewerbskraft der Unternehmen, erhöht das Arbeitnehmereinkommen, sichert bestehende und schafft neue Arbeitsplätze. Die Legende vom Freizeitweltmeister Deutschland ist Rufschädigung, der Fleiß der Deutschen ein Garant ihres Erfolges. Der Autor ist ehemaliger Chefredakteur des Handelsblatts und Buchautor.