"Uns steht das Wasser bis zum Hals"

Bernkastel-Kues/Trier · Seit gestern streiken knapp 300 der insgesamt 1200 Beschäftigten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltungen des Landes. Der Schiffsverkehr auf Mosel, Saar und Lahn ist behindert, aber nicht lahmgelegt. Auf einer Kundgebung der Gewerkschaft Verdi in Bernkastel-Kues forderten die Streikenden einen Tarifvertrag und soziale Absicherung.

Bernkastel-Kues/Trier. "Uns steht das Wasser bis zum Hals", ruft Rudolf Wald von der Gewerkschaft Verdi den ungefähr 300 Menschen zu, die sich mit Transparenten und Fahnen am Moselufer im Ortsteil Bernkastel versammelt haben. Aus allen Teilen des Landes sind Beschäftigte der Wasser- und Schifffahrtsämter (WSA) mit Bussen angereist, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Viele von ihnen arbeiten auf den Mosel- und Saar-schleusen. An einigen wie in Detzem, Lehmen und Müden werde es, so ein Verdi-Sprecher, deutliche Beeinträchtigungen geben. Heute will Verdi auch die Trierer Schleuse bestreiken.
In Bernkastel-Kues hingegen fahren die Fracht- und Passagierschiffe noch. Die Stadt an der Mittelmosel liegt zwischen den Schleusen Wintrich und Zeltingen. Dort verrichten zurzeit Beamte des WSA Dienst. Sie dürfen nicht streiken. Reeder Dirk Danielmeier, dessen fünf Touristenschiffe zwischen Bernkastel-Kues und Traben-Trarbach verkehren, spürt deshalb noch nichts von dem Streik. "Wir fahren fahrplanmäßig", sagt er. "Sollte aber die Schleuse Zeltingen lahmgelegt werden, haben wir ein Problem. Dann müssen wir die Leute mit Bussen an der Schleuse abholen."
Das Schifffahrtsunternehmen Gebrüder Kolb teilte gestern am späten Nachmittag mit, dass auch ihre Fahrgastschiffe zwischen Trier und Bernkastel-Kues fahren. Es gebe keine Beeinträchtigungen. Laut Verdi wird der Streik nur bis Freitagabend dauern.Gerüchte vorerst vom Tisch


Der Protest richtet sich gegen die von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) geplante Umstrukturierung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Die Gewerkschaft Verdi befürchtet, dass ein Viertel der bundesweit 12 000 Stellen wegfallen könnte, in Rheinland-Pfalz allein bis zu 400. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mainz steht ganz vor dem Aus.
In Trier sind Gerüchte über eine Zusammenlegung mit dem Amt in Saarbrücken zwar vorerst vom Tisch. Durch den Verlust von Aufgaben stehen laut Verdi-Fachbereichsleiter Paul-Christian Koch jedoch "bis zu 50 Arbeitsplätze auf der Kippe".
Verdi fordert für die Beschäftigten einen neuen Tarifvertrag, in dem unter anderem betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden. Erste Warnstreiks im Februar sind laut Sekretär Hikmat El-Hammouri ohne Ergebnisse geblieben. Die Gespräche hierzu waren vorerst abgebrochen worden. Die Gewerkschaftler wollen nun mit den unbefristeten Streiks den Druck für eine Einigung weiter erhöhen.
Unter den Streikenden in Bernkastel-Kues ist auch Wolfgang Ames, Vermessungsingenieur beim WSA Trier. "Ich bin 59 Jahre alt. Ich streike weniger für mich, sondern vielmehr für die jungen Leute. Viele von ihnen haben keine Zukunftsperspektive, wenn der Bundesverkehrsminister seine Pläne umsetzt." Alessandro Storino ist im ersten Ausbildungsjahr. Der 19-Jährige lernt beim WSA Koblenz Feinwerkmechaniker. Er weiß, dass er so gut wie keine Chance hat, nach der Lehre übernommen zu werden. Storino: "Das ist kein gutes Gefühl."
Ivo Kemper ist Wasserbauer. Der 26-Jährige, der in Diez an der Lahn arbeitet, hat einen Zeitvertrag nur noch bis Januar 2014. Er befürchtet, dass sein Vertrag nicht mehr verlängert wird. "Wo soll ich denn als Wasserbauer einen Job finden?", fragt er.Locker und kampfeslustig


Die Stimmung unter den Streikenden am Bernkasteler Moselufer ist locker. Die Männer und Frauen sind nicht verbittert, aber dennoch kampfeslustig. Verdi-Mann Paul Christian Koch rechnet vor, dass der Streik bundesweit die Binnenschifffahrt täglich 300 000 bis 400 000 Euro kostet. Beifall brandet auf, als er ruft: "Schickt diese Rechnung Herrn Ramsauer."
Unterstützung bekommen die Streikenden von dem rheinland-pfälzischen Infrastrukturminister Roger Lewentz (SPD). Er wendet sich gegen einen personellen Kahlschlag bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung durch den Bund. Er bezeichnet die Pläne als "völlig unsinnig" und "falsch". "Die Infrastruktur der Wasserwege muss einen hohen Stellenwert haben. Dazu passt ein Streichkonzert nicht", sagt Lewentz.Extra

In fünf anderen deutschen Bundesländern ist es bereits Anfang dieser Woche zu Streiks gekommen: in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen, Bayern und Baden-Württemberg. Mit Rheinland-Pfalz und dem Saarland sind nun weitere Bundesländer hinzugekommen. An der Mosel sollen die Streiks bis zum heutigen Freitag dauern, an Saar und Lahn noch bis Sonntag. Dass es für Außenstehende in einigen Fällen nicht so aussieht, als wenn tatsächlich gestreikt würde, liegt auch daran, dass es an der Mosel lediglich Behinderungen, aber keine vollständige Sperre geben soll. Auf den Schleusen der Mosel sind laut Wasser- und Schifffahrtsamt Koblenz auch Beamte beschäftigt, die nicht streiken dürften und Mitarbeiter, die nicht in der Gewerkschaft seien. Deswegen werde der Betrieb trotz Streik weiterlaufen. Mitarbeiter, die streiken, könnten die Schleusen zwar für eine Schicht lahmlegen. Danach werde aber wieder geschleust. Wie stark die Auswirkungen sein werden, kann derzeit noch nicht vorhergesagt werden. Betroffen sind Transportschiffe sowie Ausflugs- und Kreuzfahrtschiffe. Auf den westdeutschen Kanälen ist der Schiffsverkehr nach Angaben der Schifffahrtsverwaltung immerhin völlig zum Erliegen gekommen. sas

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