Der Dingo von Trier-Ruwer

Trier · Für ihn kann es nur die eine geben: die Tischtennisabteilung des Sportvereins Ruwer. Josef Stenglein ist 68 Jahre alt und ein Urgestein des Tischtennissports in der Region.

 Grüne Platte - rotes Trikot. Seit 53 Jahren steht Josef Stenglein regelmäßig einmal die Woche in der Sporthalle der Grundschule Trier-Ruwer. In Trainingszeiten auch mal zweimal die Woche. TV-Fotos (2): Stefanie Braun

Grüne Platte - rotes Trikot. Seit 53 Jahren steht Josef Stenglein regelmäßig einmal die Woche in der Sporthalle der Grundschule Trier-Ruwer. In Trainingszeiten auch mal zweimal die Woche. TV-Fotos (2): Stefanie Braun

Foto: (g_sport
Der Dingo von Trier-Ruwer
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Trier. Seine Hände halten eigentlich niemals still. Der ganze Körper ist in ständiger Bewegung. Er lehnt sich vor und zurück, die Hände wischen beim Reden über den Tisch, immer wieder wird die Position der Beine verändert. Fast könnte man meinen, Josef Stenglein wäre aufgeregt vor dem anstehenden Spiel gegen den SV Viktoria Wasserliesch.
Stenglein schüttelt den Kopf: Mit dem Alter werde man ja ruhiger, früher war er vor einem Spiel immer nervös. Aber nach 53 Jahren im Tischtennissport hat er genug Spielerfahrung, um nicht mehr aufgeregt zu sein.
Angefangen hat alles mit vier Tischen auf der Terrasse des elterlichen Wirtshauses. Der 13-jährige Josef, sein drei Jahre jüngerer Bruder und ein paar andere Kinder aus der Nachbarschaft hatten sie zusammengeschoben, um eines zu tun: Tischtennis spielen. Sie wollten halt etwas machen, Sport treiben. Als Stenglein Kind und Jugendlicher war, gab es für den Nachwuchs wenig Angebote in Ruwer. Nur zwei Sportvereine, Fußball und eben Tischtennis, waren die Auswahl. "Und Fußball konnte ich nie", fasst Stenglein kurz und knapp zusammen. Sein Lehrer in der Volksschule stellte ihn beim Fußballspielen immer als Offensiven auf den Platz, links außen: "Da kannst du am wenigsten falsch machen, meinte er damals", erzählt Stenglein heute schmunzelnd.
Seitdem er 14 ist, spielt er im Sportverein Ruwer (ehemals Turnverein Ruwer) Tischtennis, bis 1982 spielte er in der ersten Mannschaft, ab dann als Ersatz. Er hat die Abteilung im Verein mitaufgebaut.
Kontinuierlich haben sie sich bis hoch in die Oberliga Südwest, heute zweite Bundesliga, gespielt. Ein Höhepunkt in dieser Zeit: Das Spiel in der Saison 1975/76 gegen den TTC Grün-Weiß Zewen. 300 Zuschauer saßen damals in derselben kleinen Schulturnhalle der Grundschule Ruwer, in der sie heute ihr Spiel gegen Wasserliesch austragen. Damals war auch ein bedeutender Fan im Publikum: der ehemalige Ministerpräsident Carl-Ludwig Wagner, der in Ruwer wohnte und ein großer Fan war, sogar ein Ehrenmitglied im Tischtennisverband Rheinland. Stenglein hat ein Din A 4-Blatt vorbereitet mit Daten und Fakten zum Verein, dabei auch die ganz großen Highlights und wichtigsten Namen wie Paul Young.
Der ehemalige amerikanische Soldat war während seiner Zeit in Bitburg Mitglied im Tischtennisverein, ihn hatte Stenglein gleich zweimal aus den USA wieder einfliegen lassen: einmal zum Aufstiegskampf und einmal zum Abstiegskampf. "Ich würde sagen, er war einer unserer besten Spieler, bis heute", sagt Stenglein, der noch immer Kontakt zu seinem Ass im Ärmel hält. Per Telefon, auf Englisch, und natürlich über E-Mail. So ernst war ihm das Tischtennisspielen, dass er einen ehemaligen Spieler wieder einfliegen ließ? So ernst war das, nickt Stenglein. "Wenn ich ein Spiel verloren habe, habe ich mich die ganze Nacht halb tot geärgert."
Wie seine Nacht nach dem Abstieg aus der Oberliga in die Kreisliga im Jahr 1995 gewesen sein muss, kann man nur erahnen. Auf Nachfragen heute zuckt Stenglein mit den Schultern und meint knapp, dass es ihn schon geärgert hätte.
Er spiele für den Wettkampf, den eigenen Ehrgeiz: "Ich verliere nicht gerne, noch nie." Das merkt heute auch sein Trainingspartner, Arno Schäfer, mit dem er sich vor dem Wettkampf aufwärmt. Der 65-Jährige ist schlanker und von sportlicherer Gestalt als sein drei Jahre älterer Trainingspartner, doch mit den Spielminuten wird sein Gesicht rot und seine Spielzüge immer gehetzter und ausladender. Stenglein behält die Oberhand, seine Schläge sind scheinbar mühelos.
"Er spielt überraschende Angriffe", meint Schäfer nach dem Aufwärmen immer noch etwas kurzatmig, "und nutzt die Energie des Gegners gegen ihn. Er ist wie ein Dingo, er wartet ab, bis der Gegner angreift, und dann stößt er zu."
Wollte er denn mal etwas anderes machen? Stenglein wischt mit der Hand über den Tisch, als wollte er den Vorschlag abschmettern. "Wenn Sie so eingebunden sind, dann machen Sie nichts anderes und sind selbst ein halber Fanatiker." Ans Aufhören denke er nicht, höchstens wenn sich die Gesundheit meldet: "Aber solange ich noch gegen die jungen Burschen gewinne, nie."

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