Turner abgestürzt: Nur WM-Sechster im Team-Finale

Tokio (dpa) · Die deutschen Turner haben ihr Medaillenziel klar verfehlt. Nach einer Sturzserie im Team-Finale reichte es nur zum sechsten WM-Platz. Den Titel sicherte sich die Riege aus China und verhinderte den ersten Sieg von Gastgeber Japan nach 33 Jahren.

 Philipp Boy ist nach seiner Übung am Barren bitter enttäuscht. Foto: Friso Gentsch.

Philipp Boy ist nach seiner Übung am Barren bitter enttäuscht. Foto: Friso Gentsch.

Philipp Boy schüttelte immer wieder nur ungläubig den Kopf, seine Teamkollegen schlichen mit langen Gesichtern vom Podium, nur Fabian Hambüchen lächelte noch. Nach einer Sturzserie und dem fehlerhaftesten Auftritt der vergangenen Jahre haben die deutschen Turner ihr Ziel bei der Weltmeisterschaft in Tokio klar verpasst. Beim Sieg von Titelverteidiger China musste die deutsche Riege mit Rang sechs die schlechteste WM-Platzierung im Team seit fünf Jahren hinnehmen.

„Es ist schon scheiße losgegangen und hat sich dann auch scheiße fortgesetzt“, fand der sonst so zurückhaltende Marcel Nguyen in der bitteren Stunde drastische Worte. Die Deutschen waren am Pauschenpferd miserabel gestartet. Philipp Boy verpatzte den Abgang, Sebastian Krimmer flog aus dem „Sattel“. Damit rangierte vom ersten Moment an nur die Riege Rumäniens hinter den Deutschen, da Marius Berbecar beim Sprung auf dem Rücken gelandet war und 0 Punkte erhielt.

Ausgerechnet Vize-Weltmeister Philipp Boy war es, der die Pleitenserie mit einem „Roche“-Sprung auf den Hintern fortsetzte. Spätestens da war der Traum von einer Medaille ausgeträumt. Cheftrainer Andreas Hirsch stellte sich aber gleich vor seine Männer. „Sicher sind wir nicht glücklich, weil wir schon bessere Tage erlebt haben. Aber wenn wir so viel Fehler machen, müssen wir uns selber an die Nase fassen. Es ist aber der falsche Zeitpunkt, das jetzt mit den Einzelnen auszuwerten“, sagte er mit Blick auf die bevorstehenden Finals. „Wir müssen die Pille schlucken, auch wenn sie nicht süß schmeckt.“

Als sich auch Europameister Marcel Nguyen von der Nervosität anstecken ließ und an seinem Spezialgerät Barren abstieg, ging es nur noch um Schadensbegrenzung. Diese gelang mit einer perfekten Show am Reck, in der sowohl Fabian Hambüchen (15,866) als auch Philipp Boy (15,433) ihre Medaillenambitionen für das Finale am 16. Oktober unterstrichen. „Vielleicht sind wir zuletzt etwas zu erfolgsverwöhnt gewesen. Mit Blick auf London kam der Dämpfer zur rechten Zeit. Aber ich muss das abhaken und an meine nächsten Finals im Mehrkampf und am Reck denken“, meinte Boy. „Ich will endlich mal einen fehlerfreien Wettkampf turnen“, gab sich der Lausitzer kämpferisch.

Fabian Hambüchen hatte sich gar nichts vorzuwerfen. Er turnte seine fünf Übungen komplett durch und war mit sich zufrieden. „Ich habe alles für das Team rausgeholt. Aber die anderen Teams waren heute auch sehr stark. Ich glaube nicht, dass wir heute selbst bei bester Form die Amis hätten schlagen können“, meinte der Hesse. „Wenn wir schlechter als die Frauen gewesen wären, hätte es sicher Frotzeleien gegeben. Aber so können wir uns alle als Sechste in den Armen liegen und uns gemeinsam auf London freuen“, fügte er hinzu.

Hingegen beklagte sein Reck-Konkurrent Boy, dass die Riege „von Anfang an nicht die richtige Teamstimmung“ gefunden habe. „Aber das ist auch schwer bei so einem Auftakt“, meinte de Cottbuser. „Meine Fehler am Pferd und Sprung haben mich mächtig gewurmt“, fügte er ein wenig betroffen hinzu.

 Boys Übung am Pauschenpferd misslang. Foto: Friso Gentsch.

Boys Übung am Pauschenpferd misslang. Foto: Friso Gentsch.

 Fabian Hambüchen turnt an den Ringen. Foto: Friso Gentsch.

Fabian Hambüchen turnt an den Ringen. Foto: Friso Gentsch.

 Trainer Andreas Hirsch (l) empfängt Fabian Hambüchen nach einer Übung. Foto: Friso Gentsch.

Trainer Andreas Hirsch (l) empfängt Fabian Hambüchen nach einer Übung. Foto: Friso Gentsch.

 Marcel Nguyen hält sich mürrisch die Faust vor den Mund. Foto: Friso Gentsch.

Marcel Nguyen hält sich mürrisch die Faust vor den Mund. Foto: Friso Gentsch.

 Die Chinesen holten sich souverän die WM-Goldmedaille. Foto: Franck Robichon.

Die Chinesen holten sich souverän die WM-Goldmedaille. Foto: Franck Robichon.

Im asiatischen Duell um Gold bezwang Titelverteidiger China mit 275,161 Punkten die Riege von Gastgeber Japan (273,093), der seinerseits das Team der USA nur um einen Hundertstelpunkt auf Platz drei verdrängte (273,083). Die Chinesen verlängerten mit ihrem zehnten Titel ihre seit 2003 anhaltende Siegesserie und bauten ihren Vorsprung als Rekordweltmeister weiter aus. Die Japaner, die im Vorkampf ganz groß auftrumpften, patzten vor allem mit zwei Abstürzen vom Reck. Dabei hielt selbst Mehrkampf-Champion Kohei Uchimura dem Druck nicht stand.

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