TV-Serie „Jüdische Friedhöfe im Eifelkreis“ Das schwere Schicksal der Familie Levy aus Bollendorf

Bollendorf · In unserer Reihe „Jüdische Friedhöfe im Eifelkreis“ stellen wir heute den Friedhof in Bollendorf vor. Begraben ist hier auch ein Junge, der einem Gewaltverbrechen zum Opfer fiel und dessen Eltern später von den Nazis ermordet wurden.

 Der Eingangsbereich des jüdischen Friedhofs in Bollendorf. In der Mauer erkennt man noch die verbauten Grabsteine.

Der Eingangsbereich des jüdischen Friedhofs in Bollendorf. In der Mauer erkennt man noch die verbauten Grabsteine.

Foto: Christina Bents

Wenn man aus Bollendorf den Feldweg Richtung jüdischem Friedhof entlangläuft, fällt einem auf den ersten Blick nichts Besonderes auf. Es gibt eine leichte Steigung, Schafe grasen auf einer Streuobstwiese. Die etwa 17 Meter lange Friedhofsmauer ist unverputzt und sieht gepflegt aus.

Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass sich einige Steine farblich absetzen und eine andere Form haben. Karl-Wilhelm Gellissen, Mitglied im Arbeitskreis „Stolpersteine“, kann dazu etwas sagen. „Die Steine, die hier auffallen, sind jüdische Grabsteine, die man in der Mauer verbaut hat. Wir haben mit Mitgliedern unseres Arbeitskreises zwei Steine herausgeholt. Beide waren beschriftet und konnten zugeordnet werden.“

Er schätzt, dass sich insgesamt etwa 30 Steine in der Mauer befinden könnten. Sie herauszuholen und wieder aufstellen funktioniert nicht, weil die Steine in mehrere Stücke zerteilt wurden, um sie besser als Baumaterial gebrauchen zu können.

Auf dem Friedhof selbst, der rund 270 Quadratmeter groß ist, gibt es einen alten und einen neuen Teil. Der alte Teil wurde bis 1919 belegt, der neue anschließend. Die Entstehung des älteren Friedhofs ist nicht belegt, aber es gab eine Synagoge im Ort, die 1898 eingeweiht wurde und meist legte man die Friedhöfe an, bevor man eine Synagoge baute.

In der Reichspogromnacht wurde der Friedhof geschändet. Die Grabsteine wurden herausgerissen und lagen auf dem Feld nebenan. Aus den Archiven kann man belegen, dass in Bollendorf 58 Juden gestorben sind. Die jüdische Gemeinde hatte 110 Mitglieder. Die letzte Person, die auf dem Friedhof beerdigt wurde, bevor die Nationalsozialisten dort wüteten, war der zehnjährige  Adolf Levy, dessen Familie zunächst in einer engen Gasse zwischen Abteihof und Sauerstaden und seit Beginn der 1930er Jahre  in der Altschmiedestraße wohnte.

Er hatte ein schweres Schicksal. Er hatte sich mit einem anderen Jungen gestritten, dessen Vater sich in den Streit einschaltete und Adolf Levy so schlug, dass dieser schwere Verletzungen erlitt. Anschließend wurde er von anderen Jungen wegen seiner Behinderung schikaniert und gequält. Schließlich starb er im März 1937 an den Folgen der Misshandlungen,  eines 1935 in Bollendorf begangenen, aber nie aufgeklärten Gewaltverbrechens.

Seine ältere Schwester Betty ist nach England geflohen. 1997 wurde dort ein Videointerview mit ihr geführt. Die Aufnahmen entstanden infolge Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ aus 1993. Der Regisseur hatte es sich damals zur Aufgabe gemacht, möglichst viele Interviews mit Überlebenden aufzuzeichnen. Betty Levy, verheiratete Goldschmidt, geboren 1920, starb im Jahr 2008.

Die Eltern von Adolf und Betty wurden am 28. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert: Klara Levy ist dort 1943 gestorben, der Vater Daniel wurde 1944 weiter nach Ausschwitz gebracht, wo er vergast wurde.

Zum Gedenken an die Juden, die in Bollendorf gelebt haben, gibt es einen Gedenkstein auf dem Friedhof. Im Ort sind insgesamt 36 Stolpersteine, in den Jahren 2016 und 2018 verlegt und eine Gedenktafel am Haus der jüdischen Bäckerfamilie Levy angebracht worden. Zudem gibt es vom Arbeitskreis „Stolpersteine“, dem vier Personen fest angehören, Veranstaltungen zum 9. November, beispielsweise Lesungen und Konzerte.

Momentan wird auf dem jüdischen Friedhof gearbeitet. Nach einer Bodenradaruntersuchung, die vom Landesbeauftragten für Jüdisches Leben und Antisemitismus, Dieter Burgard, finanziert wurde, haben unter Aufsicht des Landesmuseums, Grabungen stattgefunden. Es wurden Grabsteine und Fragmente gefunden, die noch nicht abschließend untersucht sind.

Ein Teil des Friedhofs gehört der Gemeinde Bollendorf, ein Teil ist in Privatbesitz. Es existiert von den Besitzern die Zusage, dieses Stück Friedhof im Rahmen der Flurbereinigung kostenlos an die Ortsgemeinde zu übereignen.

Weitere Informationen zur Familie Levy und der AG Stolpersteine Bollendorf finden Sie unter
https://www.facebook.com/stolpersteine.bollendorf und 
https://stolpersteine-guide.de

 Stolpersteine für die Familie Levy aus Bollendorf.

Stolpersteine für die Familie Levy aus Bollendorf.

Foto: tv/AG Jüdische Geschichte Bollendorf
 Adolf Levy aus Bollendorf.

Adolf Levy aus Bollendorf.

Foto: tv/AG Stolpersteine Bollendorf

Alle bisher erschienenen Teile zu unserer TV-Serie „Jüdische Friedhöfe im Eifelkreis unter www.volksfreund.de/
juedischefriedhöfe

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