Im Fieber der Nacht

Sieben Autoren, sieben Stationen einer Partynacht: aufhübschen, verabreden, vorglühen, Lage checken, tanzen, abhängen und der Morgen danach. Doch Götter der Nacht zu sein, ist nicht immer leicht.

Samstagabend, 19 Uhr: Das Styling vor dem Event ist eine Meisterleistung. Womit fängt frau denn nun an? Vor dem Make-Up steht der Gang zum Kleiderschrank. Das sprichwörtliche "weniger ist mehr" gilt bei der Kleiderauswahl nur bedingt. Sexy ist weder, den Rock durch einen Gürtel zu ersetzen, noch im Rolli auf der Tanzfläche zu stehen. Zu billig, zu warm. Ein Blick auf die Uhr, dann ab zum Schminken. Die einschlägigen Magazine raten, sich beim Anmalen auf oben oder unten zu konzentrieren, sprich: entweder die Augen zu betonen - Lidschatten, Eyeliner und Wimperntusche - oder zum Lippenstift zu greifen. Bleibt's dezent, ist beides drin. Wer denkt, frau sei nun fertig (es geht stramm auf 21 Uhr zu), der irrt. Weitere Accessoires wollen nun ausgewählt werden. Und natürlich die Schuhe. Dass das Gesamtpaket farblich zusammen passen sollte, erklärt sich von selbst. Fast neun Uhr. Und nun los!21.17 Uhr: Draußen wird es allmählich dunkel, im Fernsehen läuft wieder einmal nur "Wetten Dass?". Ich brauch Abwechslung. Wo ist mein Handy, wer will auch raus, wohin gehen wir? Die Kumpels haben vom neuen Partyladen erzählt. Außerdem: Vielleicht finde ich sie ja endlich, meine Traumfrau. Ein Freund hat gesimst, wir treffen uns in einer Viertelstunde. Ab unter die Dusche, Hahn auf, kalt ist das Wasser. Na gut, den Kaffee gespart. Schnell abtrocknen - uff, die Haare liegen wieder einmal platt auf dem Schädel. Wo ist das Gel? Und soll ich mich noch rasieren? Neh, Stoppeln wirken männlicher. Außerdem drängt die Zeit. Jeans passen immer, dazu das rote Hemd. Das knallt. Vorne steht "Ich bin der Star". Letzter Blick in den Spiegel. Kaugummi in die Tasche. Fertig. Raus auf die Piste. 21.30 Uhr: Die Party kann beginnen. Zumindest die Vor-Party: Und Vorfreude ist die schönste Freude. Die meisten sind schon da. "Da", auf der Couch des Glücklichen, dessen Wohnung sich in kürzester Entfernung zur Disko befindet. Wer wie ich allerdings erst jetzt zum Vorglühen aufschlägt, hat Pech gehabt: Die begehrten Plätze auf dem Sofa sind längst weg, und auch die Gesprächsthemen sind bereits in Sphären gedriftet, die für Außenstehende nicht nachvollziehbar sind. Könnte an dem Sauerkrautsaft liegen, der auf dem Couchtisch steht. Oder aber an dem aufgekratzten Gefühl, endlich mal wieder gemeinsam zu feiern: So jung kommen wir nicht mehr zusammen! Carpe Diem! Nach anderthalb Stunden quatschen, lachen und laute Einstimmungsmusik hören, ist die Partylaune endgültig da. 23 Uhr. Auf geht's!!!Erst mal die Lage checken

23.10 Uhr: Erstmal die Lage checken. Noch ist sie da, die Hoffnung, dass es die Nacht der Nächte wird, die perfekte Nacht. Noch ist alles möglich. Die Lockerheit, die das Vorglühen gebracht hat, ist weg. Verloren in der Schlange vor dem Club oder auf dem Weg zur Garderobe. Rumstehen, abwarten, umgucken - das ist das Gebot der Stunde zwischen 23 und 0 Uhr. Nur nicht als Erste auf die Tanzfläche. Mein Gott, wäre das peinlich. Erstmal umschauen, vielleicht ist sie ja da, die Liebe des Lebens oder zumindest die für die nächsten Stunden. Vielleicht der Typ da hinten, der angelehnt an der Wand mit verschränkten Armen zaghaft zur Musik mitwippt? Und plötzlich ist sie wieder da, die Lockerheit: Wiedergefunden zwischen dem ersten Getränk und dem DJ, der gerade das Lieblingslied auflegt.23.50 Uhr: Mein Lied: Dass ich die Erste auf der Tanzfläche bin, ist mir egal, denn nirgends anders gehöre ich nun hin. Seine ersten Töne sind wie das unverhoffte Wiedersehen mit einer nie getrübten Liebe: Erregung erfasst mich. Ich tanze, die Augen geschlossen, ich kenne jeden Ton, liebe jeden Ton. Menschen, Licht und Rauch verschwimmen, ich bin in einer anderen Welt. Ohne Umweg übers Gehirn wird die Musik Bewegung, ist tief in mir. Ich gebe mich ihr hin. Jung, wild, frei - ich spüre, dass ich lebe. Längst sind auch andere auf der Tanzfläche. Ich weiß, dass er mich ansieht und genieße es - auch wenn ich das nicht bräuchte. Denn glücklich bin ich schon. Heute wäre alles möglich - dies wird die Nacht der Nächte.4 Uhr: Da geht sie hin, vielleicht die große Liebe meines Lebens. Hand in Hand mit diesem schrecklichen Kerl, der ja nun gar nichts drauf hat. Was findet sie an dem? Zeit für die Frustbewältigung. Noch frustrierender als der Verlust der großen Liebe ist der Anblick all der anderen deprimierten Kerle, die heute auch keine abgekriegt haben und jetzt neben mir an der Theke stehen. Spätestens nach der zweiten Lebensgeschichte dieser traurigen Mittvierziger ist es Zeit zu gehen.12.30 Uhr: Auch wenn meine Abendbekanntschaft keine Lust verspürte, die Nacht bei mir zu verbringen, könnte es mir nicht besser gehen. Zum Glück habe ich nur Orangensaft getrunken. Der Gang zur Toilette, im Falle einer alkoholbedingten Magenreizung oft ein Run, wird so um einiges entspannter. Kein menschenunwürdiges Niederknien vor der Porzellanschüssel, keine Tränen in den Augen und kein Brennen im Rachen - perfekt. Andersherum helfen mir, neben der obligatorischen Aspirin, zwei eiskalte Express-Kaffee aus der Dose oder ein klassisches Konterbier. Zumindest wollen Wissenschaftler herausgefunden haben, dass eine frische, geringe Menge Alkohol den Abbau angeregt und Symptome abschwächt. Wahrscheinlich muss man nur dran glauben. Außerdem hilft Joggen. Die ersten ein, zwei Kilometer sind zwar eine Qual, doch dann "läuft's". Christian Brunker, Miguel Castro, Nina Ebner, Katharina Hammermann, Manuel Kölker, Rebecca Schaal, Anita Schack

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort