Schöne, schreckliche digitale Welt: Kinder und Jugendliche sicher im Netz

TRier · Elmar Esseln vom Zentrum für polizeiliche Prävention Trier spricht im Familienmagazin über seine tägliche Arbeit. Damit Kinder und Jugendliche beim Surfen oder Telefonieren, auf Facebook oder beim Herunterladen von Musik keinen Ärger bekommen, sollten die Eltern gut informiert sein.

Schöne, schreckliche digitale Welt: Kinder und Jugendliche sicher im Netz
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Jugendliche gehen nicht ohne ihr Smartphone aus dem Haus, sie schauen sogar während Unterhaltungen darauf, sie tragen "immer" Ohrstöpsel und hören Musik: Die neuen Medien sind schön, hilfreich und informativ. Aber sie sorgen auch für viele Streitpunkte zwischen den jungen "Native Digitals" und ihren Eltern. Es geht darum, ob ständiges Musikhören gut für das Gehör ist, und um die Zeit, die statt Surfen besser für Mathe-Aufgaben verwendet worden wäre. Das sind geradezu lächerliche Auseinandersetzungen, gemessen an den Gefahren, die beim Umgang mit den neuen Medien bei all ihren angenehmen Seiten lauern können.

Zur Grundausstattung in deutschen Haushalten, in denen Kinder leben, gehören ein PC oder Laptop, Handy und Fernseher sowie ein Internetzugang - das belegt eine Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbands Südwest (mpfs).
"Sobald die Mädchen und Jungen auf die weiterführende Schule kommen, ist ein Smartphone mit einer Flatrate fast normal. Wer das nicht hat, der wird immer öfter als Loser bezeichnet und von den coolen Gruppen ausgegrenzt", sagt Elmar Esseln vom Zentrum für polizeiliche Prävention Trier und Referent beim pädagogischen Landesinstitut in Koblenz. Er rät: "Wer seinem Kind ein internetfähiges Gerät gibt, der sollte vorher genau über Gefahren und Nutzung aufklären. Mit klaren Regeln, die Eltern aufgrund ihrer Aufsichtspflicht immer mal genau nachkontrollieren sollten, kann man heute dem Nachwuchs diese Möglichkeit des Smartphones eröffnen." Aber: Eltern sollten immer ein Auge auf das haben, was ihr Nachwuchs mit dem Handy macht und vor allem, was so alles auf dem Handy drauf ist.

Das Durchschnittsalter, in dem ein Kind erstmals ein internetfähiges Handy bekommt, liegt heute nach diversen Studien bei zehn Jahren. Auch auf vielen Seiten im Netz, die sich mit dem Thema beschäftigen, wird geraten, einem Kind unter neun Jahren noch kein Handy zu überlassen. "Jüngere Kinder können noch gar nicht einschätzen, dass ein Handy eine sinnvolle Bedeutung hat und die unzählbaren Funktionen verstanden und richtig eingesetzt werden müssen", sagt auch Polizist Esseln.

Es ist sicher für viele verwunderlich, wie das Handy nach Angaben der jugendlichen Nutzer am meisten eingesetzt wird: 90 Prozent der Mädchen und Jungen hören mit dem Smartphone Musik - der alte Walkman hat ausgedient, es lebe das Handy. Klein, praktisch, unauffällig und bequem ist es, sich überall mit dem Knopf im Ohr berieseln zu lassen. Denn Kids können sich aus dem Netz ihre Lieblingsmusik bequem herunterladen.
Da 88 Prozent das mobile Telefon auch für das Surfen im Netz einsetzen, verbinden hier viele das Angenehme mit dem Nützlichen. Was so schön klingt - im wahrsten Sinne des Wortes - kann ganz schnell nach hinten losgehen: "Das kostenlose Herunterladen von Musikdateien ist illegal!" Esseln weiß, dass viel zu oft von den sogenannten Tauschbörsen Lieder gedankenlos aufs Handy überspielt werden. "Es soll ja noch Menschen geben, die ihren Kindern CDs kaufen. Komisch ist schon, dass sich die anderen Eltern gar nicht fragen, wieso ihre Kinder so viele Hits auf den Geräten haben. Jede Aktion im Internet ist registriert! Darüber scheinen sich die meisten nicht im Klaren zu sein. Jede Datei, die sich jemand aus dem Netz auf sein Smartphone beispielsweise speichert, kann nachverfolgt werden." Nach dem Kunsturheberrecht können die Plattenfirmen jeden verklagen, der sich illegal auf diese Weise Songs organisiert. Konsequenz: Es flattert ein Schreiben vom Rechtsanwalt ins Haus mit Schadensersatzforderungen, und "das kann dann ein Lied gleich mal 370 Euro kosten". Fakt ist: Die Eltern haften für die Taten der Kinder, und dazu zählt auch das Herunterladen von Musikdateien - das ist keinesfalls ein Kavaliersdelikt.

Bei der gesamten Betrachtung darf natürlich nicht außer Acht gelassen werden, dass auch soziale Netzwerke wie Facebook oder Anwendungen wie Whats App heute eine große Rolle bei den jungen Usern spielen: zum Chatten, Mailen und Austauschen setzt immerhin die Hälfte aller Jugendlichen ihr Handy gezielt ein, das geht aus der Studie des mpfs hervor.
130 Minuten täglich sind Mädchen und Jungen durchschnittlich im Netz der kommunikativen Medien unterwegs. Dass dieses auch Gefahren birgt, werde immer noch unterschätzt. Erschreckend ist die Zahl, dass ein Fünftel der 14- bis 15-Jährigen in der Studie über schlechte Erfahrungen im Internet berichtet: Hier geht es um falsche Behauptungen, boshafte Aussagen oder sogar um peinliche und beleidigende Fotos und Videos, die jemand einfach ins Netz gestellt oder "gepostet" hat - wie es auf Facebook heißt
Zwei Drittel der Jugendlichen (zwölf bis 19 Jahre) wissen, dass Freunde Pornos oder brutale Filme auf ihrem Handy haben und diese an andere verschickt haben. Jeder Fünfte in dieser Altersklasse hat das schon mitbekommen und gesehen. In Mode sind auch Schlägereien, die mit den Smartphones gefilmt werden, oftmals sogar provozierte Schlägereien, so das Ergebnis vieler Studien. Eine dauerhafte reproduzierbare und vor allem weiter verbreitbare Demütigung entsteht durch solche Aktionen. "Wir haben täglich mit diesen Themen zu tun", erläutert Esseln. "Eltern rufen uns an und bitten um Hilfe."Mobbing wird häufiger

Die Fälle von Mobbing und Cybermobbing werden immer häufiger. Anhand von plakativen Beispielen, erläutert Polizist Esseln, was für Auswüchse das haben kann: "Ein 14-jähriges Mädchen und ein gleichaltriger Junge sind befreundet, sie tauschen untereinander über WhatsApp Nacktfotos von sich aus. Dann lässt das Mädchen ihr Handy ungesichert auf dem Schultisch liegen, ein 13-jähriger Klassenkamerad nimmt dieses, entdeckt die Fotos, zieht sich diese auf sein Handy herunter und stellt sie in eine der immer beliebter werdenden Gruppen ein. Somit beginnt ein Weg der Verbreitung, den man in der Regel schwer und nur in mühsamer Kleinstarbeit nach? vollziehen kann. Denn Freunde von Freunden und deren Freunde schicken dieses Bild weiter und weiter." Das Mädchen erstattet Strafanzeige - "dran" ist in diesem Fall aber ihr 14-jähriger Freund wegen Verbreitung pornografischer Inhalte. Mit 14 Jahren ist er strafmündig, obwohl er das Material nicht verbreitet hat.Einmal im Netz, immer im Netz?

Sehr häufig kommen auch folgende Probleme vor: "Es werden von Mitschülern Fake-Profile auf Facebook erstellt, und man behauptet dort beispielsweise, dass jemand schwul ist. Dann verlinkt man das auf die Facebook-Freunde, und so nimmt das seinen üblen Lauf. Es dauert keine zwei Tage, und die ganze Schule glaubt, jener Diskreditierte sei tatsächlich schwul." Esseln schüttelt mit dem Kopf: "Es ist wirklich unglaublich, wie naiv Kinder heute mit diesen Dingen umgehen. Sie begreifen einfach nicht: Was einmal im Netz steht, das steht immer im Netz. Sobald man etwas dort verbreitet, potenziert es sich ins Unendliche und ist in der Regel nicht mehr aufzuhalten!"
Viele Eltern werden nun denken, das seien schlimme Aktionen - nein, es geht noch brutaler: Beim sogenannten "Happy Slapping". Dabei handelt es sich um eine "Gruppenbelustigung", bei der es immer einen Betroffenen gibt, den man demütigt. Ein Beispiel aus dem Polizeialltag dokumentiert die Vorgehensweise: "Ein Mädchen wird von einer Freundin per Handy gebeten, zu einer Bushaltestelle zu kommen. Dort warten bereits mehrere Kinder auf dieses Mädchen. Sie treten es, bespucken es, stoßen es hin und her, und einer filmt die gesamte Demütigung und stellt diese ins Netz."
Kein Einzelfall - aber einer, der wie alle Straftaten eine Reihe an Konsequenzen nach sich zieht: Von polizeilicher Seite wird Beleidigung, Körperverletzung und Verbreitung gewalttätiger Inhalte angezeigt. "Diejenigen Täter werden als Straftäter registriert. Außerdem werden das Handy und der Computer sichergestellt, und diese sind als Tatmittel weg." Zivilrechtlich können Schadensersatzforderungen geltend gemacht werden - dann stehen Eltern als Erziehungsberechtigte und Aufsichtspersonen in der Verantwortung, und es kann teuer werden. Hinzu kommt: "Wenn die Täter überführt werden, werden diese in der Regel der Schule verwiesen." Es gibt außerdem immer zu viele leichtgläubige Mitläufer, die bei diesen Aktionen mitmachen - keiner versetzt sich in die Lage desjenigen, der dort aufs Übelste erniedrigt wird.Eltern sollten auf Veränderungen achten

Egal ob ein Mädchen oder Junge durch Mobbing, Cybermobbing oder Happy Slapping bedroht wurde, diese Form der Diskreditierung und der Beleidigung sowie die Tatsache, keinen Einfluss darauf zu haben, bedeuten eine große psychische Belastung für die Angegriffenen: "Die Kinder ziehen sich zurück. Sind oft alleine, haben Bauchschmerzen und wollen nicht mehr in die Schule", erläutert Elmar Esseln die spürbaren Auswirkun? gen. Kinder kommen selbst aus dieser emotionalen Krise nicht mehr heraus. "Die Eltern müssen aufmerksam Veränderungen bei ihren Kindern erkennen. Sind diese vorhanden, sollten sie sich gemeinsam mit ihnen hinsetzen und über alles sprechen, damit solche Straftaten nicht ungesühnt bleiben." Da das Netz noch viel mehr Gefahren in sich birgt, ist es umso wichtiger, dass Eltern die Aktionen der Kinder im Internet begleiten und sie vor allem aufklären, was alles passieren kann. "Es gibt spezielle Kinderschutzprogramme und - was wirklich wichtig ist: Kein Kind sollte seine ganzen Daten bekanntgeben."
Der Polizist verweist da etwa bei Chats auf Nicknames wie "Tanja12": "Da weiß jeder gleich: hierbei handelt es sich um ein Mädchen, das zwölf Jahre ist." Für Pädophile auf dem Datenhighway ist das ein gefundenes Fressen. Geschickt fragen sie die Mädchen und Jungen nach weiteren persönlichen Daten aus, umschmeicheln sie und versuchen, sich mit ihnen zu verabreden. Dass dies nicht mehr nur ein böser Film aus dem Fernsehen ist, weiß auch Esseln: "Wir müssen unsere Kinder schützen, heute noch viel mehr als früher!" Die feinen Nuancen, mit denen Straftäter im Internet auf der Suche nach Opfern sind, können Kinder nicht durchblicken. "Man weiß nie, mit wem man es hier zu tun hat. Egal, wie sich der- oder diejenige nennt, egal, was einem versprochen wird, real ist nur, was man sehen kann - im Netz wird nur das gezeigt, was der auf Beutefang Befindliche zeigen will.?

Man sieht sie mit den kleinen Smartphones, und die Finger tippen ganz geschmeidig stundenlang über die Oberfläche - mal ehrlich: Wissen Sie, was Ihr Kind da gerade macht? Spielt es ein "sinnvolles" Spiel wie ein Gedächtnisspiel, Sudoku, Mahjongg oder Fritz-Schach - kann es sein, dass es vielleicht gerade bei Battlefield 4 als Militärsoldat versucht, andere umzubringen? Selten wissen die Eltern, was ihre Kinder wirklich alles an Spielen auf dem Handy oder dem Computer haben. Eine Kontrolle ist heute eher selten, aber sinnvoll: "Man kann seine Kinder nur schützen, wenn man weiß, was sie machen und vor allem, wenn man Regeln aufstellt, die eingehalten und kontrolliert werden müssen", so der Polizist Esseln. Spielsucht, also ? das Verlangen danach, immer und immer wieder etwas zu spielen, ist ein weit verbreitetes Phänomen, nicht nur unter Kindern - es wird geschätzt, dass es alleine in Deutschland bis zu knapp 300?000 Betroffene gibt. Wer nur vor seinem Spiel sitzt, verliert sämtliche Kontakte zur Außenwelt und, was bei Mädchen und Jungen noch viel schlimmer ist: jedweden Bezug zur Realität. Die Cyberwelt wird real , und die Kinder kapseln sich ab.Welcher Vertrag für das Handy?

Apropos: Wer ein böses Erwachen bei der Rechnung des Handys vermeiden möchte, der schließt einen Flatrate-Vertrag für seinen Nachwuchs ab, sollte aber genau hinschauen - denn auch hier kann es teuer werden: Wenn das Datenvolumen überspannt ist, wenn in andere Netze telefoniert wird oder wenn SMS nicht inkludiert sind. Viele Eltern übertragen die Verantwortung mit einem Prepaid-Vertrag aber auch direkt an die Kinder, bei dem so lange alles genutzt wird, bis das Guthaben aufgebraucht ist. Was am sinnvollsten ist, müssen die Erziehungsberechtigten selbst wissen, es ist schwer, einen allgemeinen Tipp zu geben. Zumal es grundsätzlich um die Frage geht: Wie viel Geld möchte man monatlich für das mobile Gerät ausgeben? Und auch hier gilt das Prinzip: Immer mit den Kindern die Regeln absprechen und festlegen, wie es weitergeht, wenn etwa das Guthaben leer ist. Claudia SzellasExtra

Soziale Netzwerke zählen neben Suchmaschinen und Videoportalen zu den drei am häufigsten ausgeübten Anwendungen im Internet und werden von insgesamt 78 Prozent der 12- bis 19-Jährigen zumindest mehrmals pro Woche genutzt. Das geht aus der sogenannten JIM-Studie 2012 des Medienpädagogischen Forschungsverbands Südwest (mpfs) hervor, die jährlich unter 12- bis 19-Jährigen gemacht wird. Demnach besuchen 57 Prozent die eigenen oder fremden Profile im Netzwerk sogar täglich. Aktuell meint die Nutzung sozialer Netzwerke fast ausschließlich die Nutzung von Facebook, hier sind 81 Prozent der Jugendlichen aktiv. Die erste Anmeldung bei einem solchen Netzwerk erfolgte mit durchschnittlich 12,7 Jahren.

Die gesamte Studie unter www.mpfs.deInformation und Hilfe

 Beleidigungen und Mobbing unter Jugendlichen via Internet sind weit verbreitet. Elmar Esseln vom Zentrum für polizeiliche Prävention in Trier hat täglich damit zu tun. Eltern suchen bei ihm Hilfe.

Beleidigungen und Mobbing unter Jugendlichen via Internet sind weit verbreitet. Elmar Esseln vom Zentrum für polizeiliche Prävention in Trier hat täglich damit zu tun. Eltern suchen bei ihm Hilfe.

Foto: Privat

Zentrum für polizeiliche Prävention Trier
Salvianstraße 9, 54290 Trier
Telefon 0651/9779-1250
beratungszentrum.trier@polizei.rlp.de

Weißer Ring
kostenfreie Rufnummer: 116 006
www.weisser-ring.de

Schulpsychologische Beratung
Beratungszentrum Trier, Bahnhofstraße 30-32, 54292 Trier, Telefon 0651/45399
in Wittlich: Römerstraße 37, 54516 Wittlich, Telefon 06571/14-6570
in Gerolstein: Brunnenstraße 16, 54568 Gerolstein, Tel.: 06591/98430
www.schulpsychologie.bildung-rp.de/schulpsychologische-beratungszentren

Netzwerk der Mobbingselbsthilfegruppen
An der Oberhecke 2, 55270 Sörgenloch,
Telefon 06136/7608835,
www.die-krisenmanagerin.de
www.netzwerk-der-mobbingselbsthilfegruppen-deutschland.org
info@die-krisenmanagerin.de

Arbeitskreis gegen Mobbing e.V. (AKM)
mit Sitz in Koblenz
Telefon 02607/6609 (ab 19 Uhr)

Internet-Hilfe und Foren für Eltern und Kinder:
www.polizei-beratung.de
www.mobbing.seitenstark.de
www.saferinternet.at
www.nummergegenkummer.de
www.jugendschutz.net
www.handy-in-kinderhand.de
www.-klicksafe.de - von der Polizei empfohlen
www.internet-abc.de
www.blindekuh.de

Das rheinland-pfälzische Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat die Broschüre "Surfen. Aber sicher!" herausgegeben.
Diese kann beim Ministerium bestellt werden (Mittlere Bleiche 61, 55116 Mainz) oder auch im Internet als PDF-Dokument heruntergeladen werden:
www.rlp.de/fileadmin/staatskanzlei/rlp.de/downloads/pdf/Medienreferat/Surfen_Aber_sicher.pdf

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