Glitzernde Glasplatten, lärmende Rotoren

Zur Berichterstattung über das "Sicherheitsrisiko Cattenom" (TV vom 21./22. August):

Die Titelgeschichte passt zu der Diskussion um das von der Bundesregierung beabsichtigte neue Konzept zur Energieversorgung. Man sollte jedoch einige Tatsachen nicht übersehen.

Jeder Reaktorblock in Cattenom hat eine Nennleistung von 1300 Megawatt (MW) und nicht 1300 Kilowattstunden (kWh). Cattenom erzeugt pro Jahr insgesamt elektrische Energie (ins Netz) von über 35 000 GWh, das heißt rund 8750 Millionen kWh pro Block. Es ist bemerkenswert, dass die Ende 2009 installierte elektrische Leistung von Windkraftanlagen in Deutschland inzwischen um 20 Prozent über der Nennleistung der vorhandenen Kernkraftwerke liegt.

Im Ergebnis ist es aber so, dass von den vielen Anlagen (über 21 000 in Deutschland) keine 30 Prozent der Leistung erzeugt werden, die die wenigen Kernkraftwerke produzieren - und dies trotz einiger längerer Stillstände der AKW. Wie man dieses Defizit kurzfristig überwinden kann, ist mir - ohne in technische Fantastereien zu fallen - nicht bekannt. Der wichtigste deutsche Produzent von Windenergieanlagen (Enercon) hat sich aus dem Programm für Windkraft im Meer längst verabschiedet. Das heißt, er hat sich nicht von Zuschüssen für ein Projekt wegen unkalkulierbarer Risiken, und weil es gegen die Natur ist, ködern lassen. Anders ist die Entscheidung des deutschen Marktführers nicht nachvollziehbar.

Die Stadtwerke Trier (SWT) haben neuerdings für 22 Millionen Euro Photovoltaikanlagen in Fell und Irsch installiert und die Landschaft schön mit glasähnlichen Platten bepflastert. Die elektrische Nennleistung entspricht nach Angaben der SWT insgesamt 7,8 MW. SWT geht davon aus, dass damit 8,2 Millionen kWh im Jahr erzeugt werden. Man braucht damit mindestens 14 bis 15 Jahre mit dieser "jährlichen Ernte" an Sonnenenergie - beim heutigen Strompreis von etwa 18 Cent je kWh netto (SWT) - bis die Anlage sich amortisiert hat (reine Installationskosten).

Man braucht also kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass die SWT die Strompreise kräftig erhöhen wird. Der Strom der Windkraftanlagen ist allerdings immer noch fünf- bis zehnmal teurer als der jetzige SWT-Strom, je nachdem ob die Standorte günstig ausfallen oder nicht. Windkraftanlagen sparen uns, dass man mit Glasplatten die Landschaft und die Dörfer in der Sonne glitzern lässt. Dafür haben wir mit den Rotoren ordentliche Lärmglocken und unsichtbare Sichtschirme als neue Orientierungspunkte in der Natur. An diese neue Naturschönheit müssen wir uns noch gewöhnen.

Dr. Sergio Martinez, Trier

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