Heuchler, Wortverdreher und geifernde Hinterbänkler

Zum Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler:

Bei der Nachricht vom Rücktritt des Bundespräsidenten Horst Köhler kam mir spontan die Zeile "… einen besser'n find'st du nit …" in den Sinn, und ich glaube, dass viele Bürger unseres Landes genauso empfinden.

Eine Persönlichkeit wie ihn - geradeaus geschnitten, mit offenen und klaren Worten die Probleme ansprechend und mit der Gabe, auf den Mann auf der Straße als ein Gleicher zuzugehen - eine solche Persönlichkeit wird nicht leicht wieder gefunden werden.

Natürlich merkte jeder, dass er mit seinen Worten den einfachen Bürger erreichen wollte, zugleich jedoch um diejenigen wusste, die jegliche Äußerung von ihm belauerten in der Hoffnung, ihn der Lächerlichkeit preisgeben oder - schlimmer noch - wieder mal ein Haar aus der Suppe ziehen zu können.

Und in der Tat: Die Heuchler und Satzverdreher glaubten, aus einem Satz, den er auf dem Rückflug vom Besuch unserer Soldaten in Afghanistan einem Pressemenschen ins Mikrofon sprach, herauslesen zu dürfen, der Präsident wolle die Bundeswehr zur Durchsetzung unserer wirtschaftlichen Interessen einsetzen. Dabei war sonnenklar, dass mit der Äußerung des Präsidenten der Einsatz der Bundesmarine vor der somalischen Küste und nicht etwa die Mission der Bundeswehrsoldaten in Afghanistan gemeint sein konnte. Schließlich weiß jeder, dass Afghanistan nur kostet und nichts, aber auch gar nichts mit wirtschaftlichen Interessen zu tun hat. Natürlich ist es ein Anliegen (auch) der Bundesrepublik Deutschland, der Terroristenschmiede am Hindukusch - so möglich! - zu einer friedlichen Entwicklung zu verhelfen. Einem zivilen und pazifistischen Zeitgenossen wie Horst Köhler militante Absichten zu unterstellen, ist schäbig und erbärmlich.

Was bleibt uns nach dem politischen Beben im Schloss Bellevue? Zunächst das hastige Geschacher um einen neuen Präsidenten. Langfristig aber die Brigade der geifernden Hinterbänkler und die Journaille, lauernd und erpicht, das Gräslein selbst dort wachsen zu hören, wo keines ist. Und allesamt in ständiger Bereitschaft, moralische Entrüstung von der Kette zu machen.

Wolf-Rüdiger Wulf, Trier

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