Mann mit Hut, Mutter mit kreischenden Kindern - und der Rallyefahrer in uns allen

Zur ADAC-Rallye:

Trier im Rallye-Fieber? Wir stehen in endlosen Staus, lächeln müde über die getunten, mit Aufklebern von oben bis unten verpappten Autos, die durch Trier fahren. Wir akzeptieren, dass wir dieses Wochenende nicht in die Innenstadt können, und schütteln den Kopf, wenn man Eintritt bezahlen muss, um einen Blick auf das Spektakel werfen zu dürfen. Wer bezahlt Eintritt, um mit Aufklebern verzierte, tiefergelegte, einen Riesenkrach machende Autos zu sehen? Wir teilen gerne unser schönes Städtchen, wir sind Touristen ja gewöhnt. Wir helfen gerne den Asiaten, wenn sie im Dom das Grab von Karl Marx suchen, wir helfen anderen Touristen auf der Suche nach der Porta Westfalica, wir überlassen Saarburg den Holländern, wir helfen den französischen Schulklassen mit ihren Fragebögen. Aber dieses Gerumpel? Das braucht doch niemand, oder?

Und doch sind wir ganz nah dran, denn in einem Moment stehen wir an der Ampel, da kommt ein Rallye-Wagen von hinten. Na also, wir brauchen gar keinen Eintritt zu bezahlen, denn wir haben den Heimvorteil. Die Autos fahren einfach so durch die Stadt, erkennbar am Geräusch. Da wird fünfmal Zwischengas gegeben, und dann kommen sie irgendwie doch nicht vom Fleck. Spart der jetzt oder kann der nicht schneller?

Und man beginnt darüber nachzudenken, wie vernünftig man doch fährt, obwohl das eigene Auto unvernünftige 150 PS besitzt. Da fährt man Tag für Tag seine 50 oder seine 30, tuckert hinter dem Mann mit Hut her, lässt die gestresste Mutter mit kreischenden Kindern vor, weil sie bestimmt Benjamin Blümchen die tausendste Folge ertragen muss. Wir fahren sparsam, wir rechnen den Verbrauch aus und geben an damit, wenn er unter sieben Litern liegt.

Und dann steht man neben einem Rallye-Wagen, einer Blech gewordenen Benzin-Sünde! Das Kopfschütteln hält an, aber nach zwei Ampeln kann man der Sünde nicht mehr widerstehen und wird schwach: Die fahren wirklich allzu lächerlich langsam, der Dynamik-Gang wird reingehauen, und man fährt mit quietschenden Reifen davon! Wenigstens einen Moment lang Rallye-Fahrer sein! Das Vibrieren des Motors spüren, die Stärke der PS, der Motor heult auf - und dann fahren wir mit der "Wir-können-das-auch"-Genugtuung gesittet mit 30 nach Hause. Das macht Lust auf mehr. Vielleicht gehe ich ja doch mal in die Stadt und bezahle dafür, dröhnende Motoren zu hören und mit Aufklebern verpappte, tiefergelegte Autos anzuschauen.

Eva Leonardy, Trier

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