Politik

Zur Berichterstattung über die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt und zum Erfolg der AfD diese Meinungen:

Die Erfolge der AfD sind wirklich erschreckend: Für immer mehr Deutsche scheint es kein Problem mehr zu sein, eine im Kern bestenfalls stockkonservative, in maßgeblichen Teilen aber reaktionäre, rassistische und völkische Partei zu wählen - lieber würde ich mir einen rostigen Nagel durchs Knie bohren als eine solche Partei auch nur aus Protest zu wählen. Was macht die AfD so stark? Die Flüchtlingsfrage hat ihr als aktueller Anlass sicher nur ein paar Extraprozente beschert - das AfD-Problem wäre also durch Annäherung oder durch nationale Lösungen, die ohnehin nicht funktionieren können, nicht lösbar. Grundlegend dürften vielmehr soziale Ursachen sein. Die AfD wurde nun keineswegs nur von sozial Gescheiterten gewählt, die sich in einer Konkurrenz mit den Flüchtlingen sehen, sondern auch von Angehörigen des kleinen bis mittleren Bürgertums, die sich - keineswegs grundlos - von sozialem Abstieg bedroht sehen. Die AfD ist zwar keine soziale Partei und wird keine sozialen Probleme lösen, aber auf soziale Unsicherheit reagieren offenbar immer mehr Menschen damit, dass sie den Druck nach unten weitergeben und - nicht immer nur verbal - auf sozial Schwächere und auf schwache Minderheiten eindreschen und auch entsprechende Parteien wählen. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern, in unterschiedlichen Ausprägungen, in großen Teilen Europas; auch der große Erfolg Donald Trumps in den USA ist so erklärbar. Die Ursache der zunehmenden sozialen Unsicherheit aber liegt in der neoliberalen oder marktradikalen Spätphase (oder schon Endphase?) des zunehmend krisenhaften Kapitalismus. Solange sich daran nichts ändert, werden Nationalisten, Rassisten und Faschisten immer stärker werden. Mit der dadurch drohenden Diktatur dürfte der Neoliberalismus kaum Probleme haben - nicht zufällig lief das erste neoliberale Experiment auf Staatsebene unter der chilenischen Militärdiktatur des Generals Pinochet. Robert Seidenath, Gusterath Mit einer gewissen Genugtuung habe ich die Wahlergebnisse zur Kenntnis genommen. Ich bin kein Anhänger der AfD, die meisten sind wahrscheinlich Protestwähler. Die Politiker in Berlin und den Ländern wollen den Protest an der Flüchtlingskrise festmachen, hier liegen sie völlig falsch. Man kann nur verwundert sein ob des Verhaltens der sogenannten alten "Volksparteien", die an Arroganz und Überheblichkeit nicht zu überbieten sind; dabei spielt die Parteifarbe keine Rolle. Das lässt nur einen Schluss zu: Diese Politiker haben sich längst vom Volk entfernt, nur die lästigen Wahlen müssen sie noch über sich ergehen lassen, um an die Futterkrippe des Staates zu kommen. Den Höhenflug der AfD haben CDU und SPD zu verantworten, denn ihre Politik war und ist nicht zum Wohle des Volkes, sondern nur einem kleinen Teil des Volkes zugutegekommen. Die Armut steigt rasant an, besonders die Altersarmut (wird noch schlimmer). Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich so schnell und geht so weit auseinander wie nirgendwo in der EU. Deutschland ist das größte Billiglohnland der EU, ich habe Abrechnungen von Männern gesehen, die bei 174 Stunden im Schichtbetrieb inklusive Wochenenden und Zulagen 1200 Euro netto verdienen. Bezahlbare Wohnungen fehlen, die Infrastruktur - Straßen, Tunnel, Brücken - ist marode, der Zugang zur Bildung für viele ungenügend, es gibt keine Chancengleichheit, das Gesundheitssystem ist korrupt, und Hartz IVler werden schlimmer behandelt als die Zocker der Banken oder Steuerhinterzieher. Mit der Regierung des Basta-Kanzlers Schröder hat der größte Sozialabbau seit dem Krieg begonnen, der unter der Regierung Merkel ungebremst weitergeht. Die SPD tritt das Erbe der Sozialdemokraten, die für die soziale Idee gefoltert und eingesperrt worden sind oder sogar ihr Leben ließen, mit Füßen. Es gibt aber auch die andere Seite. Unsere Volksvertreter haben sich fürstlich versorgt, Geld für Auslandseinsätze der Bundeswehr ist kein Problem, bei der Zustimmung des Bundestages wird nicht herumgeeiert (für Syrien zwei mal 77 Minuten im Plenum), für die Rettung der Banken, die sich verzockt haben, sind 500 Milliarden Euro bereitgestellt worden ... Und bei alldem fragen sich die etablierten Parteien, warum die AfD groß herauskommt. Wenn sich bis zur Bundestagswahl im nächsten Jahr nicht etwas ändert, wird die AfD mit mindestens 15 Prozent der Stimmen in den Bundestag einziehen. Ich habe nur eine Befürchtung: SPD und CDU wissen, dass sie immer eine große Koalition bilden können - warum also etwas verändern?! Reinhold Ritter, Irsch Was nun, Frau Dreyer? Die Wahl in Rheinland-Pfalz ist gelaufen, aber nicht die SPD hat gewonnen, sondern die populäre Malu Dreyer. Fragt sich nur, ob das reicht. Ich glaube nicht. In einer möglichen Ampelkoalition gibt es zwischen den einzelnen Fraktionen zu unterschiedliche Vorstellungen und Programme. Die Grünen maßen sich an, nach ihrem Wahldebakel mit 5,2 Prozent der Stimmen mitregieren zu können, das ist eine Farce. Es geht nicht nur um mehr Windräder und darum, alle Wälder in Naturparks umzuwandeln, sondern darum, Rheinland-Pfalz wirtschaftlich zu stärken und nicht abhängig zu sein vom Länderfinanzausgleich. Die Wirtschaft erwartet hier eine deutliche Kehrtwende. Die FDP hat einen guten Wahlkampf gemacht und ist zurück auf der Bühne. Aber in einer Ampelkoalition wird sie auch an den Misserfolgen, die sicherlich die Zukunft bringt, und den Altlasten der rot-grünen Regierung gemessen werden. Und das könnte für die FDP dann wieder zum Debakel werden. Die meisten ihrer Mitglieder wollen diese Ampelkoalition nicht. Die FDP sollte eine gute und nachvollziehbare Oppositionsarbeit zu leisten, um bei der nächsten Landtagswahl ein noch besseres Ergebnis zu erzielen und sich dann an der Regierungsbildung zu beteiligen. Marcel Schanen, Gusterath

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