So wird die Not zur Tugend

Einige Mitarbeiter hängen in ihren Bürosesseln, als hätten sie gerade einen Genickschuss kassiert. Andere träumen sich mit glasigem Blick in die Ferne, während der Aktenberg wächst. Wieder andere schlagen ihre Arbeitszeit mit Internet-Filmchen auf YouTube tot. Deutscher Büro-Alltag!

 Martin Wehrle.Foto: dpa

Martin Wehrle.Foto: dpa

Wenn Fleiß "die beste Form der Leidenschaft" ist, wie Thomas Mann behauptete, dann ist die Arbeitsliebe bei uns erkaltet. Nach der jährlichen Motivationsstudie der Unternehmensberatung Gallup ist von zehn Mitarbeitern nur einer richtig "engagiert".

Sieben geben zu, dass sie "Dienst nach Vorschrift" machen, also keinen Handstrich mehr als nötig. Und zwei räumen ein, sie hätten innerlich schon gekündigt.

Keine Spur von Leidenschaft - viele Spuren von Leiden! Deutschland ist ein Motivationsfriedhof, die Chefs gelten als Totengräber.

In der Gallup-Studie klagen die Mitarbeiter, es fehle an Lob, an regelmäßigen Rückmeldungen, und auch an passenden Aufgaben, die sie weiter fordert. Die Chefs würden sich zu wenig für ihre Belegschaft interessieren.

Arme Angestellte? Nun ja: Zu jedem Chef, der das Spiel verdirbt, gehört ein Mitarbeiter, der es sich verderben lässt. Ihre Arbeitseinstellung bestimmen Sie selbst! Jede Schwäche des Vorgesetzten kann eine Chance für Sie sein: Ein Chef, der chaotisch führt, fordert Ihr Organisationstalent heraus. Ein Chef, der unentschlossen ist, kann Ihrer Überzeugungskraft als Schleifstein dienen - so wird die Not zur Tugend!

Unser Kolumnist Martin Wehrle (geboren 1970) gehört zu den erfolgreichsten Karriereberatern in Deutschland. Sein aktuelles Buch: "Bin ich hier der Depp? Wie Sie dem Arbeitswahn nicht länger zur Verfügung stehen", Mosaik, 14,99 Euro.

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