Unschädlich, aber irreführend

Das EU-Parlament hat verboten, das Enzym Thrombin für die Herstellung von sogenanntem Klebefleisch zu verwenden. Was bedeutet das für die Verbraucher?

Trier. Der TV beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.

Was ist Klebefleisch?

Fleischreste werden samt Knochen und Muskeln in einer Presse zerkleinert. Diese kleinen Fleischstücke werden mit einem tierischen "Klebstoff" wieder zu einem ganzen Stück zusammengesetzt. Ein solcher Klebstoff ist etwa das aus Schweineblut gewonnene Enzym Thrombin, das nun vom EU-Parlament verboten worden ist. Ein anderer Klebstoff ist Transglutaminase.

Für welche Produkte werden die "Klebe"-Enzyme verwendet?

"Transglutaminase wird vor allem bei rohem Formfleisch-Schinken eingesetzt", erklärt Achim Ginkel vom Landesuntersuchungsamt (Lua) in Koblenz. Gekochter Formfleisch-Schinken werde mechanisch hergestellt: "Beim Erhitzen tritt aus dem Fleisch Eiweiß aus, das die einzelnen kleineren Schinkenstücke zusammenhält. Der gekochte Formfleisch-Schinken klebt sich sozusagen selbst." Auch abgepackte, meist schon panierte Hähnchenschnitzel würden aus kleineren Fleischstücken zusammengesetzt, sagt der Berliner Lebensmittelprüfer Goetz Hildebrandt.

Sind diese Klebstoffe gesundheitsschädlich?

Das Enzym Thrombin sei gesundheitlich unbedenklich, sagt die CDU-Europaabgeordnete Christa Klaß aus Osann-Monzel (Kreis Bernkastel-Wittlich). "Formfleisch-Schinken bleibt immer noch Fleisch", erklärt auch Lebensmittelexperte Hildebrandt.

Was ist an "Klebefleisch" schlimm?

"Den Verbrauchern wird am Supermarktregal und in der Gastronomie ein X für ein U vorgemacht. Ihnen werden ohne ihr Wissen minderwertige Produkte vorgesetzt", sagt Achim Ginkel vom Landesuntersuchungsamt. "Wer rohen Schinken kauft, erwartet keine zusammengesetzten Teilstücke, sondern ein Stück gewachsenen Muskelfleischs", sagt der aus Speicher (Eifelkreis Bitburg-Prüm) stammende Chef des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, Gerd Billen.

Es müsse für den Verbraucher mit einem Blick auf die Verpackung oder auf die Speisekarte im Lokal klar ersichtlich sein. "Es handelt sich dann um Formfleisch-Schinken", sagt Achim Ginkel.

Was sagt die Industrie zum Verbot von Thrombin?

"Das ist gut", sagt Peter Sanktjohanser, Geschäftsführer der Fleischwarenfabrik Quint in Trier. Sein Unternehmen verwende keine Enzyme als Klebestoff. Mit dem Verbot werde es den Mitbewerbern schwerer gemacht, Verbraucher mit billiger, minderwertiger Ware zu täuschen.

Sind mit dem Beschluss des EU-Parlaments grundsätzlich solche Enzyme zur Herstellung von Lebensmitteln verboten?

Nein. Der Beschluss bezieht sich nur auf Thrombin. Es gebe noch genügend andere Klebemittel für Formfleisch, sagt Hildebrandt.

Kann der Verbraucher erkennen, ob es sich um echten oder zusammengesetzten Schinken handelt?

Man brauche schon ein geübtes Auge, sagt Achim Ginkel vom Landesuntersuchungsamt. Wer ganz genau hinschaue, könne die verschiedenen Einzelstücke, die unterschiedlichen Richtungen der Muskelfasern und eventuell sogar die "Nahtstellen" zwischen den Einzelteilen erkennen.Extra Thrombin ist ein Enzym oder Protein, das für die Blutgerinnung bei Wirbeltieren zuständig ist. Es wird in der Leber gebildet und ins Blut der Tiere abgegeben. Thrombin vom Schwein wird von der Nahrungsmittelindustrie bei der Herstellung etwa von Wurst eingesetzt. Das EU-Parlament hat mit den Stimmen von Linken, Sozialdemokraten und Grünen die Anwendung von Thrombin als Klebstoff, um Schinken herzustellen, abgelehnt. Konservative und Liberale sind gegen das Verbot.

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